Nach dem Attentat:Taiwans Präsident Chen wiedergewählt

Lesezeit: 2 min

Taiwans Präsident Chen hat einen Tag nach seiner Schussverletzung durch ein Attentat knapp die Präsidentenwahl gewonnen. Mit weniger als 30.000 Stimmen Vorsprung setzte er sich gegen seinen konservativen Herausforderer Lien Chan durch. Die erste Volksabstimmung in der Geschichte Taiwans ist hingegen wegen zu geringer Beteiligung gescheitert.

Doch stellte der unterlegene Lien Chan von der Kuomintang-Partei vor Anhängern in Taipeh die Wahl als "ungerecht" in Frage. Er verwies auf den knappen Vorsprung und forderte eine neue Auszählung der Stimmen.

Die dritte freie Präsidentenwahl in der heute demokratischen Inselrepublik war überschattet von dem Anschlag auf den Präsidenten und die Vizepräsidentin am Vortag sowie von den Spannungen mit China.

Die kommunistische Führung in Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und Chen Shui-bian als "Separatisten". Nach seinem Wahlsieg rechnete ein Regierungsberater in Peking mit einem "Stillstand" und einer "potenziellen Krise" in den Beziehungen. Die Pläne Chen Shui-bians für eine Änderung der Verfassung bringe Taiwan der Unabhängigkeit näher. Für den Fall droht Peking mit Krieg.

Nach den Schüssen auf den Präsidenten und die Vizepräsidentin Annette Lu am Vortag beim Wahlkampf in seiner Heimatstadt Tainan fand die Wahl unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. 110.000 Polizisten schützten die Wahllokale. Trotz seiner Verletzung ging der Präsident in Taipeh zur Stimmabgabe: "Egal, wer die Schüsse abgefeuert hat, die Kugeln können nicht das taiwanesische Volk in die Knie zwingen oder den Demokratisierungsprozess stoppen."

Beobachter gingen davon aus, dass der verletzte Amtsinhaber einen Sympathiebonus genossen haben dürfte, doch blieb offen, in welchem Maße. Bei dem Attentat sind nach Polizeiangaben mindestens zwei Schüsse aus zwei Pistolen auf den offenen Wagen des Präsidenten abgegeben worden.

Eine der Kugel kam offenbar von der Seite, während die andere die nicht gepanzerte Windschutzscheibe durchschlug. Auf einem Foto, das am Wahltag auf den Titelseiten prangte, war der Präsident mit einem großen Blutfleck auf seiner Jacke zu sehen.

Der unterlegene Kandidat Lien Chan begründete seine Vorwürfe gegen die Auszählung mit der geringen Spanne von knapp 30.00 Stimmen, die der Präsident vor ihm lag. Es habe dagegen 330.000 ungültige Stimmen gegeben, doppelt so viele wie bei der Wahl vor vier Jahren. Nach Angaben der Wahlkommission erzielte Chen Shui-bian 6,471 Millionen Stimmen im Vergleich zu 6,442 Millionen für Lien Chan.

Referendum gescheitert

Die Wähler waren zusätzlich zur Wahl zum ersten Referendum Taiwans aufgerufen, dass wegen zu geringer Beteiligung gescheitert ist.

In dem Referendum sollten die Bürger entscheiden, ob das Budget für die hauptsächlich gegen China gerichtete Landesverteidigung erhöht wird, gleichzeitig aber ein Friedensdialog mit Peking angestrebt werden soll.

Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission nahmen an dem Referendum nur 45 Prozent der Wahlberechtigten teil. Für eine Gültigkeit wären 50 Prozent nötig gewesen. Der Ausgang galt als Niederlage für Präsident Chen Shui-ban, der sich für das Referendum stark gemacht hatte.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: