Nach Brand im Flüchtlingslager Moria:SPD-Spitze setzt Union unter Druck

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Deutschland soll weit mehr als die geplanten 150 Kinder aus Moria einreisen lassen. Die Regierung will bis Mittwoch darüber entscheiden.

Von Mike Szymanski, Berlin

Schutzsuche: Nach dem Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria sind Tausende Menschen obdachlos. (Foto: Alkis Konstantinidis/Reuters)

Die große Koalition ringt weiter um den Umgang mit den Tausenden Flüchtlingen des abgebrannten Lagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Die SPD verlangte am Montag eine Verständigung auf die Aufnahme von deutlich mehr als den bislang geplanten 150 Kindern. Innerhalb von 48 Stunden, spätestens bis zur Kabinettssitzung am Mittwoch, sollen Ergebnisse vorliegen, erklärte Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Parteichefin Saskia Esken hatte zuvor gefordert, eine "hohe vierstellige" Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen.

CDU und CSU signalisierten ihre Bereitschaft, mehr Flüchtlinge nach Deutschland zu holen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Montag von einem "substanziellen Beitrag", den Deutschland als starkes Land "sicherlich leisten" könne. Die Hilfe für Griechenland sollte zwar möglichst "europäisch organisiert" werden, aber: "Deutschland fühlt ja auch eine Verantwortung." Deshalb werde überlegt, welche Personen noch "zusätzlich" aufgenommen werden könnten. Es habe aber "überhaupt keinen Sinn", nur über eine Zahl zu reden, so die Kanzlerin.

Im Parteipräsidium sagte Merkel Teilnehmern zufolge, dass sie Gespräche mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) führe, der bisher zurückhaltend agierte und auch Hilfsangebote aus Ländern und Kommunen ablehnte. CSU-Chef Markus Söder sagte zu Bild.de, er betrachte es als "persönliche Christenpflicht, in einer solchen Not zu helfen". Konkreter wurde die SPD am Montag. Der Parteivorstand forderte in einem Beschlusspapier: "Wir wollen, dass Deutschland durch ein Aufnahmeprogramm einem maßgeblichen Anteil dieser geflüchteten Menschen schnell, organisiert und kontrolliert Aufnahme, Schutz und Perspektive bietet". CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak betonte dagegen, dass es bei der Aufnahme von Flüchtlingen um eine "einmalige Kraftanstrengung" gehen soll, Griechenland müsse "vor Ort" geholfen werden. Am Nachmittag traf die erste deutsche Hilfslieferung in Athen ein. Griechenlands konservative Regierung befürchtet, Flüchtlinge jetzt aufs Festland zu holen und auf andere europäische Länder zu verteilen, könnte ein falsches Signal setzen und dazu führen, dass auch andere Camps zerstört würden. Derzeit wird auf Lesbos ein neues, provisorisches Zeltlager errichtet. Die EU-Kommission erwägt, ein künftiges Flüchtlingslager auf Lesbos mitzubetreiben. Merkel sagte am Montag, Deutschland sei bereit, den Aufbau eines neuen Aufnahmezentrums zu unterstützen. Es müsse aber Standards erfüllen, die das alte Lager nicht erreicht hatte. Ein solches europäisches Vorgehen hielte sie "für einen wirklich wichtigen Schritt".

Unterdessen bleibt die Lage auf Lesbos angespannt. Der Großteil der Flüchtlinge, die im Lager Moria gelebt haben, schlägt sich unter freiem Himmel durch. Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis rief alle obdachlosen Migranten auf, umgehend das neue, provisorische Zeltlager zu beziehen. Das Camp könne bereits mehr als 5000 Migranten aufnehmen. Von kommenden Montag an würden Asylverfahren nur für jene bearbeitet, die in diesem Lager lebten.

© SZ vom 15.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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