Nach Angriff in Syrien:Verurteilung Israels durch UN vertagt

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Der Weltsicherheitsrat hat sich in der von Syrien angestrengten Dringlichkeitssitzung nicht zu einer Resolution gegen den israelischen Luftangriff in der Nähe von Damaskus durchringen können. Die weltweit kritisierte Attacke Israels folgte einem Selbstmordanschlag in Haifa.

Israel hat seinen Luftangriff auf ein mutmaßliches Trainingslager palästinensischer Extremisten in Syrien vor dem UN-Sicherheitsrat verteidigt. Der Angriff sei "eindeutig ein Akt der Selbstverteidigung", sagte der israelische UN-Botschafter Dan Gillerman in einer Sondersitzung des UN-Gremiums.

Der syrische UN-Botschafter Fajssal Mekdad warf Israel vor, sich immer wieder über das internationale Völkerrecht hinwegzusetzen. Dies gehe so weit, dass "Araber und viele Menschen in der ganzen Welt den Eindruck haben, dass Israel über dem internationalen Recht steht".

Er forderte eine Resolution, in der Israel aufgerufen wird, Handlungen einzustellen, die zu "unkalkulierbaren Konsequenzen" und zur Gefährdung des Friedens in der Region führen könnten. Die Abstimmung über den Antrag wurde jedoch verschoben, weil mehrere Botschafter sich erst mit ihren Regierungen beraten wollten.

Fortsetzung der Debatte angekündigt

Der US-Botschafter bei der UN, John Negroponte, kündigte die Fortsetzung der Debatte an, nannte aber keinen Termin. Weltweit stieß der israelische Angriff auf scharfe Kritik. UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte, er sei besorgt, dass die "Eskalation einer ohnehin schon gespannten und schwierigen Lage die Konflikte im Nahen Osten vergrößern könnte".

Die ständigen Sicherheitsratsmitglieder Frankreich, China und Großbritannien verurteilten den Luftangriff ebenfalls. "Israel sollte sich durch seinen berechtigten Zorn über den andauernden Terrorismus nicht zu Aktionen verleiten lassen, die sowohl den Friedensprozess als auch seine eigenen Interessen unterminieren", sagte der britische UN-Botschafter Jones Parry.

Palästinenserpräsident Jassir Arafat verhängte wegen der angespannten Lage den Notstand in den Autonomiegebieten und ernannte ein Notstandskabinett. "Neue Beratungen werden so bald wie möglich stattfinden", sagte Negroponte als amtierender Vorsitzender des Sicherheitsrates nach der Dringlichkeitssitzung. Ein Zeitpunkt stehe aber noch nicht fest.

USA: Damaskus soll Terroristen bekämpfen

Nach Ansicht der USA sei eine neue UN-Resolution für den Nahen Osten nicht notwendig, fügte Negroponte hinzu. Nötig sei, dass Damaskus die "Terroristen" auf seinem Territorium bekämpfe.

Der syrische UN-Botschafter Faisal Mekdad zeigte sich dennoch zufrieden über den Verlauf der Debatte. Die Mehrheit der Anwesenden habe den israelischen Angriff verurteilt, sagte er. Er habe nicht auf eine sofortige Abstimmung über den Resolutionsentwurf gedrungen, um den Botschaftern Zeit für Beratungen zu geben.

Mit der Resolution sollte die "militärische Agression" Israels "entschieden verurteilt" werden. Außerdem sollte formal die Verletzung eines 1974 geschlossenen Abkommens zwischen Israel und Syrien festgestellt werden. Das Abkommen hatte den Jom-Kippur-Krieg beendet, dessen 30. Jahrestag am Sonntag war.

Während der größtenteils öffentlichen Debatte im Sicherheitsrat verteidigte Israels UN-Botschafter Dan Gillerman den Angriff auf Syrien. Die syrische Regierung unterstütze wie kaum ein anderes Land den Terrorismus. "Dass Syrien eine Sondersitzung beantragt hat, ist, als hätten die Taliban nach dem 11. September so eine Debatte beantragt", sagte er.

Libanon reicht ebenfalls Beschwerde ein

Der syrische Botschafter in den USA, Imad Mustafa, sagte dem US-Fernsehsender CNN, mit dem Anruf des Sicherheitsrats habe Syrien "eine strategische Wahl für den Frieden" getroffen. Die Vereinten Nationen seien der einzig legitime Ort, um internationale Krisen zu lösen. Libanon bekundete seine Solidarität mit dem Nachbarland und reichte Beschwerde beim UN-Sicherheitsrat wegen Verletzung seines Luftraums ein.

Offiziellen Angaben in Beirut zufolge durchquerten israelische Kampfflugzeuge vor und während des Angriffs den libenesischen Luftraum. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bezeichnete den israelischen Luftangriff auf Syrien als eine Verletzung der staatlichen Souveränität.

Dies könne nicht akzeptiert werden, sagte er während eines Besuchs in Kairo. Ägyptens Präsident Husni Mubarak sprach von einer "Aggression" gegen einen "Bruderstaat". Die Arabische Liga äußerte ihre "volle Solidarität mit Syrien" und mit "allen Maßnahmen", die Damaskus "als Antwort auf diese Aggression" vornehmen werde.

Ein US-Regierungsvertreter rief beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Die israelische Armee hatte angegeben, in der Nähe von Damaskus auf ein Ausbildungslager des Islamischen Dschihad gezielt zu haben.

Die Palästinenserorganisation bestritt anschließend, in Syrien über Lager oder Kämpfer zu verfügen. Der Islamische Dschihad hatte sich zu dem Selbstmordanschlag vom Samstag im nordisraelischen Haifa bekannt, bei dem eine Attentäterin 19 Menschen mit in den Tod gerissen hatte.

Arafat ernennt Notstandsregierung

Arafat unterzeichnete ein Notstands-Dekret, mit dem er zugleich eine achtköpfige Notstandsregierung ernannte, wie Palästinenservertreter mitteilten. Der designierte Ministerpräsident Ahmed Kureia teilte mit, er werde dem zunächst für einen Monat eingesetzten Kabinett vorstehen. Das Innenministerium soll demnach von dem Arafat- und Kureia-Vertrauten Nasser Jussuf geführt werden.

Finanzminister Salam Fajad und Außenminister Nabil Schaath sollen den Angaben zufolge auf ihren bisherigen Posten bleiben.

© sueddeutsche.de/AFP/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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