Müntefering zu SPD nach Europawahl:"Wir schauen jetzt nach vorne"

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SPD-Chef Müntefering gibt sich trotz Europa-Pleite zuversichtlich für die nächste Abstimmung im Herbst - der Bundestagswahlkampf habe noch nicht begonnen.

Oliver Bilger

Die Europawahl mag kein Test gewesen sein für die bevorstehende Bundestagswahl, aber als Signal für die Abstimmung im September kann sie durchaus betrachtet werden. Experten werten die historische SPD-Niederlage vom Sonntag als "Denkzettel für Steinmeier".

SPD-Chef Franz Müntefering gibt sich trotz dem Debakel der Europa-Wahl zuversichtlich für die bevorstehende Bundestagswahl. (Foto: Foto: dpa)

SPD-Chef Franz Müntefering gibt sich dennoch zuversichtlich für die bevorstehende Abstimmung im September. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erklärte Müntefering, seine Partei habe für "allzu viel Trauerarbeit keine Zeit. Wir schauen jetzt nach vorne". Bei den Kommunalwahlen im Saarland und Thüringen habe es auch positive Signale für die SPD gegeben. In Thüringen konnte die SPD Zugewinne verbuchen, im Saarland musste die CDU Verluste akzeptieren.

Aufzuarbeiten sei nun vor allem die geringe Wahlbeteiligung, so der Parteichef. Sie sei schuld am schlechten Ergebnis der SPD. Seine Partei habe es offensichtlich nicht geschafft, ihren Wählern die Bedeutung der europäischen Entscheidungen zu vermitteln.

Die verpatzte Europawahl und den Wettkampf um die Stimmenmehrheit mit der Union beschrieb Müntefering mit einem Bild: "Ich hatte gehofft, wir schießen ein Tor und es steht unentschieden. Das ist uns nicht gelungen. Aber das Spiel ist noch lange nicht zu Ende."

Der Bundestagswahlkampf habe noch gar nicht begonnen, erklärte Müntefering. Im Sommer werde es eine "viel größere inhaltliche und personelle Polarisierung geben". Einen Vorgeschmack darauf gab Steinmeier, der nach dem Insolvenzantrag des Unternehmens Arcandor Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) scharf kritisierte.

Müntefering kritisierte im Interview Kanzlerin Angela Merkel dafür, dass sie es erlaube, dass sich der Wirtschaftsminister von gemeinsamen Beschlüssen distanziere. "Das schadet der Demokratie."

Als "Schwäche bei Europa-Wahlkämpfen" bezeichnete der SPD-Chef eine mangelnde Personalisierung. Eine andere Politik hätte Müntefering aber selbst dann nicht gemacht, wenn er das Ergebnis der Europawahl schon vorher gewusste hätte: "Vielleicht hätten wir noch etwas lauter getrommelt".

Ob sich SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier im Bundestagswahlkampf mit einer Führungsmannschaft umgeben wird, stehe noch nicht fest. Dies werde Steinmeier rechtzeitig sagen, so Müntefering. Er selbst wolle im November für seine Wiederwahl als Parteichef kandidieren, ein anderes Amt strebe er nicht an. In der SPD war spekuliert worden, dass Müntefering nach der Wahl zumindest eine Zeit lang auch selbst die Fraktion führen will.

Unterstützung für Steinmeier

Bereits zuvor hatte Müntefering erklärt, am eingeschlagenen Kurs festzuhalten, was die Bekämpfung der Wirtschaftskrise angeht. Bei der Bundestagswahl werde "das sich Vertrauen der Menschen auf die richten, die am stärksten Arbeitsplätze sichern, Arbeitsplätze schaffen, erklärte der Parteichef im Deutschlandfunk.

In der FAZ ergänzter er: "Das wichtigste ist jetzt: Arbeitsplätze sichern. Dass dabei möglicherweise auch einer profitiert, der ein ganz teures Auto fährt oder drei Pelzmäntel hat, kann ich nicht verhindern. Wenn die Bude brennt, muss man die Menschen retten. Und da kann es auch Schäden durch Löschwasser geben."

Steinmeier habe die volle Unterstützung und die volle Solidarität des SPD-Präsidiums. Es werde weder einen Politikwechsel noch eine Führungsdiskussion geben. Ziel sei weiterhin, stärkste Kraft bei der Bundestagswahl zu werden und mit Steinmeier den Kanzler zu stellen.

Schreiner fordert grundlegende Änderungen

Der Arbeitnehmerflügel der SPD forderte indes grundlegende Änderungen der politischen Ausrichtung. Die gesamte Politik der Partei müsse auf den Prüfstand gestellt werden, sagte dessen Vorsitzender, Ottmar Schreiner, der Nordwestzeitung.

Manch einer in der SPD wird sich in diesen Tagen mit Sehnsucht an den letzten Wahlkampf von Gerhard Schröder erinnern. Damals gelang der SPD nach einer katastrophalen Europawahl ein beachtliches Ergebnis bei der folgenden Bundestagswahl.

Es gebe noch genug Zeit, um ein anderes Ergebnis zu erreichen, sagte Müntefering am Sonntag. Damals waren es noch 112 Tage bis zur Bundestagswahl. An diesem Abend wird es bei der Zahl auch Gedanken an etwas anderes gegeben haben: an die Telefonnummer für Notsituationen.

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