Müntefering kritisiert Manager:"Bei manchen Unternehmern stimmt die Ethik nicht"

Lesezeit: 2 min

Franz Müntefering hat in seiner Kapitalismus-Kritik die Tonart am Wochenende noch einmal verschärft. Er verglich Investoren mit Heuschreckenschwärmen, die Unternehmen abgrasten und dann weiterzögen. Vertreter der Wirtschaft kritisierten den neuerlichen Vorstoß des SPD-Vorsitzenden scharf.

Von Nina Bovensiepen und Peter Blechschmidt

Müntefering hatte in der vergangenen Woche bei einer Veranstaltung zum neuen Grundsatzprogramm der SPD erklärt, die "Macht des Kapitals" und die "totale Ökonomisierung" gefährdeten auf Dauer die Demokratie. In der Bild am Sonntag wandte sich Müntefering nun gegen Vertreter der Wirtschaft und der internationalen Finanzmärkte, die sich seiner Ansicht nach aufführten, als gäbe es für sie keine Regeln.

"Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten," sagte der SPD-Chef. "Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir."

Bei manchen Unternehmern stimme die Ethik nicht. Zu ihnen zähle er den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent anstrebe und trotz steigender Gewinne die Entlassung von 6400 Menschen ankündige. "So etwas deprimiert die Menschen und raubt ihnen das Vertrauen in die Demokratie."

"Bemerkenswert realitätsfern"

NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück, der am 22. Mai Landtagswahlen zu bestehen hat, gab Müntefering in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Recht, "wenn er die totale Ökonomisierung der Gesellschaft anprangert". Es gebe Manager und Verbandsvertreter, die kein Vorbild für Menschen seien. "Es geht nicht, ständig neue Forderungen nachzuschieben und ein noch höheres Reformtempo zu fordern." Die Rahmenbedingungen für Unternehmer seien unter Rot-Grün erheblich verbessert worden.

Deutliche Kritik an Müntefering kam von den drei mächtigsten Wirtschaftsverbänden. "Die Politik muss der Versuchung widerstehen, den Menschen jetzt mit einfachen Erklärungsmustern neue Illusionen einzureden", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, der Süddeutschen Zeitung.

Der SPD-Vorsitzende wisse natürlich auch, dass nur Unternehmen mit Gewinnen Jobs schafften. Die "sozialdemokratische Kampfrhetorik" sei der Wahl in Nordrhein-Westfalen geschuldet, und er hoffe deshalb, dass der "Spuk" nach dem 22.Mai ein Ende finde. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte Münteferings Aussagen zuvor bereits als "bemerkenswert realitätsfern" bezeichnet.

Industriepräsident Thumann warnte die SPD davor, in Protektionismus und Staatsgläubigkeit zu verfallen. Müntefering verschärfe das in der SPD schon fast überwundene Misstrauen gegenüber Markt und Wettbewerb. Seine Äußerungen bedeuteten "die Rolle rückwärts weg von Godesberg". Mit dem Godesberger Programm schwor die SPD 1959 dem Sozialismus ab.

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wer in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit Investoren als biblische Plage verunglimpft, ist nicht regierungsfähig." Müntefering schade Deutschland. Die mehr als fünf Millionen Arbeitslosen brauchten Jobs statt Klassenkampfparolen. "Mit Sozialismus pur rettet die SPD allenfalls ihr Verhältnis zu Oskar Lafontaine."

Auf der Suche nach billigen Produktionsstandorten ziehen deutsche Unternehmen nach Angaben der IG Metall von einem Land zum anderen. Viele Firmen, die ihre Fertigung vor einigen Jahren nach Ungarn verlagert hätten, drohten den Beschäftigten dort nun mit einem Umzug ins noch billigere Bulgarien oder nach Rumänien, sagte der Chef der IG Metall in Bayern, Werner Neugebauer, der Deutschen Presse-Agentur. "Dort werden die Beschäftigten jetzt genauso erpresst wie hier." Ihnen werde gesagt, dass der Standort nur erhalten werden könne, wenn das Personal sich mit niedrigeren Löhnen zufrieden gäbe.

© Süddeutsche Zeitung vom 18.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: