Mordversuch in Potsdam:Verhöre bis in den frühen Morgen

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Die Polizei hat zwei Männer festgenommen, die verdächtigt werden, den 37-jährigen Deutsch-Äthiopier brutal verprügelt zu haben. Heute wird entschieden, ob die beiden dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Die Potsdamer planen eine weitere Solidaritätskundgebung.

Die Bundesanwaltschaft erklärte am Donnerstag Abend: "Es liegen erhebliche Verdachtsmomente dafür vor, dass die Täter die Tat aus Ausländerhass und auf der Grundlage einer rechtsextremistischen Gesinnung begangen haben."

Das Foto aus dem Jahr 2003 zeigt den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. bei der Arbeit. Der 37-Jährige schwebt noch immer in Lebensgefahr (Foto: Foto: dpa)

Der Deutsch-Äthiopier hatte ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten und schwebt noch immer in Lebensgefahr. "Die Täter ließen erst von ihrem Opfer ab, als dieses reglos mit stark blutenden Kopfverletzungen am Boden lag", heißt es in der Mitteilung weiter.

Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren wegen der Gefahr für die innere Sicherheit an sich gezogen. Dies wurde mit der "außerordentlichen Brutalität der Vorgehensweise" und des überregionale Fanalcharakters dieser Tat begründet.

Die beiden Verhafteten stammen aus Potsdam bzw. aus der Umgebung der brandenburgischen Landeshauptstadt. Es handelt sich um deutsche Staatsbürger im Alter von 29 bzw. 30 Jahre.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm erklärte, die beiden Männer seien "bei den uns bekannten rechtsextremistischen Organisationen nicht aktiv". Man müsse sehen, "wo es Verflechtungen gibt, die bisher nicht so bekannt waren". Nach Informationen der Bild-Zeitung gehört einer der beiden Männer jedoch zur rechten Szene.

Man wisse von dem 29 Jahre alten Mann, dass er der rechten Szene angehöre, berichtet die Zeitung ohne Nennung von Quellen. Der Verdächtige sei Bodybuilder und solle häufig als Türsteher gearbeitet haben. Er sei der Polizei wegen Drogendelikten und Waffenhandels bekannt.

Spitzname Piepsi

Er habe eine ungewöhnlich hohe Stimme. Freunde des Mannes hätten der Polizei gesagt, der 29-Jährige werde wegen seiner Stimme "Piepsi" genannt, so das Blatt weiter. Auch auf der Handy-Mailbox ist eine hohe Stimme zu hören.

Das Opfer, ein Deutscher äthiopischer Abstammung, hatte seine Frau vor den lebensgefährlichen Schlägen angerufen. Die auf der Mailbox aufgezeichneten Stimmen der Täter, die den Deutschen unter anderem als "Nigger" beschimpften, hatte die Polizei veröffentlicht.

Bild berichtete weiter, zusammen mit dem zweiten Verdächtigen, einem 30-Jährigen, solle der 29-Jährige bei einem Autovermieter in der Potsdamer Innenstadt gearbeitet haben.

Die Nachrichtenagentur dpa berichtet von einem Augenzeugenbericht, wonach einer der Verdächtigen am späten Donnerstagnachmittag im Süden Potsdams nahe der Autobahn 115 festgenommen worden sei.

An einer Kreuzung wurde demnach die Ampel auf Rot geschaltet. Quer gestellte Wagen blockierten den Verkehr. Dann hätten Polizisten mit schwarzen Sturmhauben einen Mann und eine Frau festgenommen.

Zu Einzelheiten der Festnahmen wollte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke-Katrin Scheuten, keine Angaben machen.

Tätern droht lebenslange Haft

Den nach dem Mordversuch an einem Deutsch-Äthiopier in Potsdam festgenommenen beiden Tatverdächtigen droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Sie würde verhängt, wenn ihnen ein fremdenfeindliches Motiv und die Tötungsabsicht nachgewiesen würde, sagte der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg, Erardo Rautenberg, im RBB-Inforadio. Den gesetzlichen Strafrahmen für solche Übergriffe wie auf den 37 Jahre alten Deutsch-Äthiopier am Ostersonntag hält Rautenberg für ausreichend.

Weitere Solidaritätskundgebung

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hat für Freitagabend zu einer Solidaritätskundgebung für den zweifachen Familienvater aufgerufen.

"Ich rechne mit mehreren tausend Teilnehmern", sagte er. Trotz der Festnahme sei es wichtig, deutliche Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt zu setzen. Alle Bediensteten des Landes Brandenburg wurden aufgefordert, an der Kundgebung teilzunehmen.

Zu der Demonstration auf dem unweit des Tatortes gelegenen Luisenplatz haben zahlreiche Organisationen aufgerufen, von Parteien über Gewerkschaften, Kirchen, Studentenorganisationen und Initiativen bis zum Fremdenverkehrsverband.

Politiker warnen vor Stigmatisierung

Unterdessen warnte Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) davor, sein Bundesland nach dem Übergriff als generell fremdenfeindlich einzustufen. "So eine abscheuliche Tat schadet jedem Standort", sagte er der Financial Times Deutschland. Es handele sich aber nicht um einen "Potsdam-typischen Vorfall".

Der Tourismus-Beauftragte der Bundesregierung, Ernst Hinsken, befürchtet nach den mutmaßlich rassistischen Übergriffen in Berlin und Potsdam keine Auswirkungen auf den Fremdenverkehr. Reise- oder Hotelstornierungen im Vorfeld der Fußball-WM seien deshalb nicht zu erwarten.

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