Möglicher US-Angriff auf Iran:Revolutionswächter statt Atomanlagen

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Die Bush-Regierung soll ihren Plan für einen eventuellen Angriff auf Iran geändert haben: Statt der Atomanlagen hat sie nun offenbar die iranischen Revolutionswächter im Visier - und deren Kommandozentralen und Munitionslager.

Die US-Regierung hat laut einem Pressebericht einen Strategiewechsel hinsichtlich eines möglichen Angriffs auf Iran vorgenommen. Die Regierung von Präsident George W. Bush plane inzwischen eher Angriffe auf die iranischen Revolutionswächter, die Pasdaran, als auf Atomanlagen in dem Land, berichtet der angesehene US-Enthüllungsjournalist Seymour Hersh in einem Artikel für die heute erscheinende Ausgabe des Magazins The New Yorker.

Die USA werfen den Pasdaran die Unterstützung von Aufständischen im Irak vor. "Schiitische Extremisten, die von Iran gestützt werden, bilden Iraker aus, um unsere Truppen und die irakische Bevölkerung anzugreifen", habe Bush im August gesagt.

Laut Hersh erfolgt der angebliche Strategiewechsel zu einem Zeitpunkt, da Bush und seine Berater den Irak-Krieg zunehmend als "strategische Schlacht zwischen den USA und Iran" bezeichnen.

Verzweifelte Suche nach einem Angriffs-Grund

Der Wechsel in der Zielsetzung spiegelt laut des Zeitungsberichts drei Entwicklungen wider. Erstens seien der US-Präsident und seine Berater zu dem Schluss gekommen, dass ihr Versuch, die amerikanische Öffentlichkeit von der nuklearen Gefahr zu überzeugen, die von Iran ausgehe, gescheitert sei - und dass es daher zu wenig Unterstützung für eine großangelegte Bombardierung des Landes gebe.

Zum Zweiten seien das Weiße Haus im Stillen zu dem Schluss gekommen, dass Iran mindestens fünf Jahre entfernt davon sei, sich eine Atombombe zu beschaffen. Und Drittens habe man in Washington und im Mittleren Osten erkannt, dass Iran als geopolitischer Gewinner aus dem Irak-Krieg hervorgehe.

In diesem Sommer habe Bush bei einer Videokonferenz mit dem US-Botschafter im Irak, Ryan Crocker, gesagt, er erwäge, iranische Ziele auf der anderen Seite der Grenze anzugreifen. Die Briten seien sich darin mit ihm einig, habe Bush gesagt. Bush soll Crocker angewiesen haben, Iran Folgendes mitzuteilen: Iran solle aufhören, sich im Irak einzumischen, oder es müsse mit amerikanischen Vergeltungsschlägen rechnen.

Einem Insider zufolge soll Vize-Präsident Dick Cheney verzweifelt versuchen, so bald wie möglich eine Militäraktion gegen den Iran zu starten, berichtet der New Yorker. Sämtliche Gegenargumente seien sowohl ihm als auch dem Präsidenten egal. Aber von offizieller Seite heiße es natürlich, man strebe eine "diplomatische Lösung" an.

"Es ist genauso wie 2002", erklärte kürzlich ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter. Genau wie in den Monaten vor der Invastion in den Irak würden soviele Leute wie möglich zu dem Fall hinzugezogen und die Operation zum wichtigsten Thema überhaupt gemacht. Die Experten würden durchspielen, wie der Iran im Falle eines Angriffes reagieren würde. "Tatsache ist, sie werden reagieren. Und die Regierung hat nicht alles gut durchdacht."

Das bestätigt auch der ehemalige Berater für nationale Sicherheit, Zbigniew Brzezinski. Seiner Meinung nach würde Iran im Falle eines Angriffs die Nachbarländer Irak, Afghanistan und Pakistan in die Sache mit hineinziehen. "Wir werden für zwanzig Jahre in einen regionalen Krieg mit hineingezogen", sagt er.

Anders als damals vor dem Irak-Angriff würden die USA mit dem Iran eine andere Strategie fahren. "Dieses Mal spielen wir das Opfer", vermutet Brzezinski. Man warte nur darauf, bis der Iran sein Spiel übertreibe.

Militärschlag vor Bush's Abgang aus dem Weißen Haus

Norman Podhoretz, Intellektueller und Vertreter des Neokonservatismus, verglich den iranischen Präsidenten Ahmadinejad in einem Essay im Commentary mit Hitler. Er würde gegen das internationale System arbeiten und wolle sogar eine neue Ordnung durchsetzen, bei der der Iran eine dominante Rolle spiele. Die USA hätten deshalb fast keine andere Möglichkeit als mit einem Militärschlag gegen den Iran vorzugehen, allein schon wegen der möglichen atomaren Gefahr. "Bush wird angreifen, bevor er aus dem Amt scheidet", ist Podhoretz' Einschätzung.

Dem Bericht zufolge sind Israel und Frankreich dagegen nicht einverstanden mit der neuen Strategie. Israel bemängele, dass die umstrittenen iranischen Atomanlagen kein Ziel mehr sein sollten. Frankreich hege Zweifel an den gezielten Luftangriffen.

Iran bietet USA Hilfe an

Laut New Yorker sollen nach dem Willen der USA die wichtigsten Trainingscamps der Pasdaran sowie deren Munitionslager und Kommandozentralen zerstört werden. Die USA haben dem Bericht zufolge zwar noch keine Entscheidung für einen Angriff auf Iran getroffen. Die militärischen Vorbereitungen für einen möglichen Angriff seien aber intensiviert worden. Der Geheimdienst CIA habe seine Iran-Abteilung verstärkt.

Unterdessen bot der Iran den USA Hilfe bei der Stabilisierung des Irak an, falls sie einen konkreten Abzugsplan für ihre Truppen vorlegen. Atom-Unterhändler Ali Laridschani sagte der Financial Times in einem Interview: "Wenn sie (die USA) einen klar definierten Zeitplan haben, werden wir ihnen helfen, den umzusetzen."

Die US-Regierung lehnt einen konkreten Abzugsplan mit der Begründung ab, er würde den Aufständischen im Irak in die Hände spielen und sie ermutigen. Abzugstermine richteten sich nach den Erfolgen bei der Befriedung des Landes.

Laridschani, der auch Sekretär des Obersten iranischen Sicherheitsrates ist, warnte die USA zugleich vor einem Angriff auf sein Land. Ihr Scheitern im Irak sollte die USA davon abschrecken, ähnliche Interventionen zu wiederholen, sagte der Politiker. Ein Angriff auf Iran wäre gleichbedeutend damit, "seine Hand in einen Bienenkorb zu stecken".

© sueddeutsche.de/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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