Modeindusrie:Fett uncool

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Die Trend-Marke "Abercrombie & Fitch" taumelt an der Börse.

Von David Pfeifer

Die Zeiten, als man mit riesigen Boss- oder D & G-Logos auf der Brust durch Clubs stolzierte, sind sogar in China und Russland vorbei. Wer sich heute Gruppenzugehörigkeit über Markenbindung erkaufen möchte, gilt als etwas unterbelichtet, zumindest aber als unkultiviert oder neureich. Minimalismus, Nachhaltigkeit - das sind die Konsumbegriffe, die den Markt seit Jahren unterspülen und auf die Umsatzzahlen edler Modehersteller drücken.

Im Mai 2017 hat die einstige Trend-Marke Abercrombie & Fitch bekannt gegeben, nach Käufern zu suchen. Der Umsatz ist in den vergangenen zwei Jahren von 4,5 auf 3,3 Milliarden Dollar zurückgegangen. Angeblich gab es eine Annäherung mit Investoren. Doch als in der Nacht zu Dienstag in New York bekannt gegeben wurde, dasselbe Management solle die Marke wieder zum Erfolg führen, brach der Kurs an der Börse um 20 Prozent ein. Mit unter zehn Dollar ist die Aktie weit vom einstigen Spitzenwert von 82 Dollar entfernt.

Das ist durchaus selbst verschuldet, hatte der ehemalige Chef doch postuliert, keine "fetten oder uncoolen" Kunden haben zu wollen. In A & F-Läden durfte nur rein, wer so aussah, als würde er die Kleidung auch mit einer Persönlichkeit, oder besser noch, mit einer austrainierten Physis verbinden, die den Träger nach erfolgtem Einkauf zum Werbeträger machen sollte. Eine Zeit lang tat das dem Erfolg der Marke keinen Abbruch - im Gegenteil. Es bildeten sich Schlangen vor den Geschäften, die den Besuchern zumuteten, sich vor dem Einkauf angaffen und bedarfsweise auslachen zu lassen.

Sobald Kleidung zu Mode wird, dient sie immer der Distinktion. Egal, ob man sich einer Gruppe zugehörig fühlen oder als Individualist wahrgenommen werden will. Im Fall von Abercrombie & Fitch gilt ein Schönheits- und Fitnessideal, das heute zunehmend befremdlich wirkt, da man Jugendlichen vermitteln will, keinem abstrakten Körperideal hinterherzuhungern. In der Realität werden die übergroß auf den T- und Sweatshirts angebrachten Buchstaben sowieso häufig von darunter spannenden Bäuchen verzerrt. Ein Logo macht noch kein Waschbrett. Das Image hat sich gedreht: Laut dem "American Customer Satisfactory Index" für Verbraucherzufriedenheit galt A & F in den USA 2015 als unbeliebteste Marke unter Jugendlichen, noch schlechter bewertet als die Billigkette Walmart. Die kecken Sprüche von einst wirken in einem Land, in dem immer mehr Jugendliche Übergewicht haben, als flächendeckende Diskriminierung. Bei Abercrombie & Fitch haben sie die riesigen Lettern auf den Leibchen immer weiter reduziert. Damit folgt A & F einem Trend der Mode-Industrie, die Logos seit Jahren kleiner und schwerer entschlüsselbar zeigt, um sie tragbarer zu machen.

Für A & F-Kunden heißt es nun: nicht schämen, sondern einmotten. Denn obwohl teure Sportswear Kundschaft verliert, weil Jugendliche lieber Smartphones oder Fahrräder kaufen, gibt es einen Bereich der Mode, der aktiv bleibt: Vintage. Modelle von gestern - oder besser noch vorgestern - werden beliebter, weil man in ihnen modisch aussehen und zugleich anzeigen kann, dass man kein Sklave eines Trends ist.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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