Misshandlungen im Irak:Ein Jahr Haft für Militärpolizisten

Lesezeit: 3 min

Im ersten Prozess um die Misshandlung irakischer Gefangener im Gefängnis Abu Ghraib hat das Gericht den geständigen Angeklagten verurteilt. Der Militärpolizist Jeremy S. wird nach der Haft unehrenhaft aus der Armee entlassen. Er gilt als Kronzeuge gegen die übrigen Angeklagten.

Im ersten Prozess um die Misshandlung irakischer Gefangener ist ein amerikanischer Soldat von einem US-Militärgericht in Bagdad schuldig gesprochen worden.

Charles Graner steht hinter einer Pyramide aus menschlichen Körpern. (Foto: Foto: AP)

Der geständige Militärpolizist Jeremy Sivits wurde am Mittwoch zu einem Jahr Haft verurteilt. Außerdem wird er degradiert.

Mit versagender Stimme schilderte der junge Militärpolizist der 800. Militärpolizei-Brigade Misshandlungen irakischer Gefangener durch seine Kameraden Charles Graner und Ivan "Chip" Frederick.

Ein Haufen aufgetürmten Gefangener

Er habe einen Häftling aus der Zelle holen müssen und ihn dann auf die im Flur zu einem Haufen aufgetürmten Mitgefangenen gestoßen, sagte Sivits vor Militärrichter Richter James Pohl aus.

"Ich hörte, wie Hauptmann Graner die Häftlinge auf Arabisch anschrie", sagte Sivits vor Militärrichter Oberst James Pohl.

"Sie lagen dort auf dem Boden, mit Säcken über dem Kopf." Feldwebel Javal Davis und die Soldatin Lynndie England "trampelten auf ihren Zehen und Händen".

Graner habe sich einen Häftling aus dem Haufen gepackt und einen Faustschlag angetäuscht. Er habe Graner dabei fotografiert, sagte Sivits. Frederick habe einem anderen Gefangenen so fest gegen die Brust geschlagen, dass der Getroffene zusammengebrochen sei.

"Ich glaube, ich habe ihm einen Herzstillstand zugefügt", habe Frederick gesagt. Sivits habe Erste Hilfe angefordert und dem um Luft ringenden Opfer geholfen, wieder zu atmen.

Ein Fausthieb gegen die Schläfe

Eine Soldatin schrieb laut Sivits einem weiteren Häftling "Vergewaltiger" aufs Bein. Graner habe den Mann dann mit einem Fausthieb gegen die Schläfe bewusstlos geschlagen.

"Graner sagte: 'Mist, das tut weh', meinte damit sein Handgelenk, vermutlich, weil er ihn so fest geschlagen hat, dass sein Handgelenk schmerzte", sagte Sivits.

Andere Häftlinge seien mit Tüten über dem Kopf zu sexuellen Handlungen wie Oralsex und Masturbation aufgefordert worden.

Sivits bekannte sich in allen drei Fällen von Misshandlungen und verweigerter Hilfeleistung schuldig. Er hatte die Fotos der nackten und gedemütigten Gefangenen gemacht, deren Veröffentlichung den Folterskandal Ende April weltweit bekannt machte.

Die Häftlinge und die irakische Bevölkerung bat Sivits um Verzeihung für sein Verhalten. "Ich möchte mich bei den Irakern und diesen Gefangenen entschuldigen", sagte er unter Tränen. "Es tut mir wirklich leid, was ich getan habe." Man dürfe nicht zulassen, dass Menschen andere Menschen auf diese Weise misshandeln, betonte Sivits.

Das Verfahren gegen die von Sivits beschuldigten Soldaten verzögerte sich am Mittwoch. Graner, Frederick und der Mitangeklagte Javal Davis lehnten bei Anhörungen eine Stellungnahme zu den Misshandlungsvorwürfen ab.

Alle drei verzichteten während der Anhörung auf die Verlesung der Anklage. Der Anwalt von Davis, Hauptmann Scott Dunn, beschwerte sich, dass ihm kein Zugang zu zwei Opfern der Misshandlung ermöglicht worden sei, die der Anklage als Belastungszeugen dienen.

Sieben US-Militärpolizisten angeklagt

Militärrichter Pohl setzte für den 21. Juni eine weitere Vorverhandlung für die drei Soldaten an. Ihnen drohen im Zusammenhang mit den Folterungen im Abu-Ghraib-Gefängnis höhere Strafen als Sivits. Bislang sind sieben US-Militärpolizisten in der Affäre angeklagt.

"Es wird auf jeden Fall vertuscht", sagte Unteroffizier Samuel Provance am Dienstag dem US-Fernsehsender ABC.

In die Misshandlungen in Abu Ghraib seien dutzende Soldaten verwickelt gewesen.

Er habe die Taten zwar nicht selbst gesehen, doch hätten ihm Verhörspezialisten erzählt, dass sie Militärpolizisten zum groben Umgang mit Gefangenen angewiesen hätten. Provance war im September in Abu Ghraib für das Computer-Netzwerk des Militärgeheimdienstes zuständig.

Von den 51 Plätzen im Zuhörerraum waren 34 für die Medien reserviert, die übrigen wurden zumeist von Militärjuristen eingenommen. Human Rights Watch kritisierte, dass Vertretern von Menschenrechtsorganisationen der Zutritt verweigert worden sei. Audio- und Filmaufnahmen waren nicht zugelassen.

Die Zeitungen Wall Street Journal und New York Times berichteten am Mittwoch unter Berufung auf einen ranghohen US-Offizier, das IKRK habe der US-Armee bereits im November einen Bericht über zwei unangekündigte Besuche in Abu Ghraib im Vormonat übermittelt.

Darin sei beschrieben, wie Gefangene tagelang nackt in dunklen Zellen gehalten und mit Frauen-Unterwäsche auf dem Kopf fotografiert worden seien.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte angegeben, seine Behörde sei erst Mitte Januar über die Misshandlungen informiert worden. Ende Januar leitete das Pentagon eine Untersuchung ein.

Die damalige Leiterin des Gefängniswesens in Irak, Janis Karpinski, sagte der New York Times, die ranghohen US-Offiziere hätten dem Bericht generell keinen Glauben geschenkt.

© Anthony Deutsch/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: