Ministerinnen:Die Laute und die Leise

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Sie sind neu in Berlin, sie besetzen Zukunftsressorts, sie könnten unterschiedlicher kaum sein: Ursula von der Leyen und Annette Schavan.

Stefan Braun

Ursula von der Leyen steht in der Küche von Sarah Wiener. Die Powerfrau aus der Bundesregierung kocht mit der Powerfrau aus der Kochszene. Das Bündnis passt, die kooperative Vermarktung wird sich für beide lohnen. Gerade hat Ursula von der Leyen, im Hauptberuf Familienministerin, eine erste Bilanz des kindergerechten Deutschlands präsentiert.

Das Mauerblümchen und der Star: Annette Schavan (l.) und Ursula von der Leyen. (Foto: Foto: ddp)

Viel zu berichten gab es nicht, aber irgendwie muss der Zwischenstand zum nationalen Aktionsplan unter die Leute. Und damit er seinen Weg in die Medien findet, kombiniert die Ministerin ihn mit den Gewürzen und Früchten einer Starköchin. Natürlich ist die Küche voll, und die beiden Damen strahlen.

Annette Schavan steht in der kleinen Eingangshalle von OncoRay in Dresden. In der Strahlenklinik ist modernste Hochtechnologie zu Hause, und die Bundesministerin kommt, um den Forschungsstandort zu loben. Hier gibt es keine große Bühne und keinen großen Auftritt. Stattdessen gibt es eine sehr normale Empfangstheke, ein improvisiertes Rednerpult und ein paar halbleere Stuhlreihen. Die Ärzte hoffen auf Forschungsmittel, das Personal will Ministerin gucken.

Und was macht die? Sie formuliert sehr schöne und sehr allgemeine Sätze. "Moderne Forschungspolitik lebt vom Bündnis der Akteure", heißt es da. Und: "Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir, wenn wir einen langen Atem haben, viel erreichen werden." Sätze sind das, die nie falsch sind. Sätze, die kommen und gehen. Wenn man sie nicht mitschreibt, würde man sich ihrer wohl nie mehr erinnern. Am nächsten Tag gibt es in den Zeitungen nur ein paar Zeilen.

Star und Mauerblümchen

Ursula von der Leyen, 49, und Annette Schavan, 53, sind zwei Frauen aus der selben Partei, zwei Ministerinnen in der selben Regierung, zwei Hoffnungsträgerinnen der selben Kanzlerin. Und es sind zwei Politikerinnen, die mit dem Familien- und dem Bildungsressort Themen besetzen, die inzwischen alle Parteien als zentrale Fragen betrachten.

Als Angela Merkel bei der Koalitionsbildung im Herbst 2005 diese Ressorts für die Union reklamierte, wurde sie in ihrer CDU kritisiert. Heute ärgern sich darüber vor allem die Sozialdemokraten.

Nicht zuletzt deshalb könnten die beiden ein Bündnis schließen, könnten im besten Sinne gemeinsame Sache machen. Doch trotz einer gemeinsamen Pressekonferenz und der sachlichen Nähe ist aus den Politikerinnen bis heute kein Duo geworden. Zu unterschiedlich sind die beiden. Hier die manchmal dickschädelige, selbstbewusste und eigenständige Ursula von der Leyen, dort die vorsichtige, stets Bündnisse schmiedende Annette Schavan.

Hier der Solitär von der Leyen, die den Konflikt um den Krippenausbau ohne große Deckung der Kanzlerin riskierte, dort die Loyalistin Schavan, die Provokation scheut und deshalb bis heute ziemlich blass geblieben ist in der Hauptstadt. Von der Leyen gehört zu den Stars, Schavan eher zu den Mauerblümchen. Merkels Trümpfe sind zwei sehr ungleiche Zwillinge geblieben.

Gleiche Voraussetzungen

Dabei sind sie mit gleichen Voraussetzungen angetreten und haben früh Kontakt aufgenommen. Beide waren Landesministerinnen, beide waren in der CDU bis ins Präsidium aufgestiegen. Schon kurz nach ihrer Vereidigung am 22. November 2005 reichten sie sich die Hand, um Du zu sagen. Das geschah auf Betreiben von der Leyens, die sonst sparsam ist mit solchen Gesten. Das Leben war beiden fremd in der Hauptstadt, also kam es zum Handschlag. Danach aber trennten sich ihre Wege. Ein Staatssekretär, der beide kennt, sagt: "Die haben ein völlig unterschiedliches Politikverständnis."

Das klingt nach Theorie, ist aber schnell konkret geworden. "Wir als Minister müssen Breschen schlagen für unser Thema", sagt von der Leyen. Genau das hat sie getan und sich erst mal Blessuren eingefangen. Sie hatte im Januar 2006 noch gar nicht richtig Platz auf ihrem Stuhl genommen, da begann ein scharfer Konflikt mit Finanzminister Peer Steinbrück über die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten.

Von der Leyen war mittelmäßig vorbereitet, sie geriet in schwere See, musste im Berliner Haifischbecken viel Wasser schlucken, bis sie lernte, sich über Wasser zu halten. Danach schwor sie sich, nur noch bestens präpariert den Konflikt zu suchen - und hat sich dran gehalten. Erst kam das Elterngeld, dann, wie sie sagt, "fast schon zwangsläufig" die Kinderbetreuung.

Dabei blieb sie in der schwersten Zeit 2007 nicht ohne Selbstzweifel. Stimmen die Instinkte noch? Ist das der richtige Weg? Täusche ich mich? Fragen, die sie quälten, bis Renate Köcher aus Allensbach ihr den Rücken stärkte. Deren Umfrageergebnisse stützten von der Leyens Kurs, sie stärkten sie auch im Duell mit den Bundesländern beim Krippenausbau. Am Ende gewann sie, entschlossen in der Sache und geschmeidig im Auftreten, weil sie mal mit ihrem neuen Haarschnitt, mal mit einem Streitgespräch, zuletzt mit ihrem Bericht über den an Alzheimer erkrankten Vater auch die Unterhaltungsmedien für sich einnahm.

Von der Leyen macht das fast ohne politische Bremse. Sie scheut keinen Streit mit dem Kanzleramtsminister, sie hat erst spät begonnen, die Bundestagsabgeordneten zu pflegen, in ihrem Ressort entscheidet zuallererst sie, nicht Parteistrategen. Als ihr kürzlich einer vorrechnete, dass eine Senkung der Mineralölsteuer um zehn Cent etwa sechs Milliarden Euro kosten würde, schoss es ihr in den Kopf - oje, das wäre mein Haushalt.

Spätes Aufbegehren

Bei Schavan klingt das anders. "Wenn jemand über mich sagt, die ist loyal, dann habe ich ganz sicher nichts dagegen." Sie kam politisch gestutzt ins Amt. Die gerade beschlossene Föderalismusreform bohrte ihr ins Bewusstsein, dass sie ein bisschen bei der Forschung, aber auf gar keinen Fall bei der Bildung würde mitreden dürfen. An das Diktum hielt sie sich lange.

Erst vor kurzem wagte sie es, aufzubegehren und bei der frühkindlichen Bildung mehr Einfluss des Bundes zu fordern. Ihr Satz, der Föderalismus werde "gegen die Wand fahren", sollte er die Probleme nicht lösen, hätte bei anderen für helle Aufregung gesorgt. Ihr traute man solche Schärfe gar nicht zu, also hielt man es für einen Unfall; es schlug fast keine Wellen.

Schavan schmiedet gerne hinter den Kulissen, sie pflegt die Kontakte in die Fraktionen, hat schon mal den Ausschuss bei sich zu Gast oder einzelne Landesgruppen. Ihr Einfluss beruht auf Vernetzung, mit dem Kanzleramt, dem CDU-Generalsekretär, der Duz-Freundin Angela Merkel. Das erklärt, warum sie ist, was sie ist. Es erklärt, warum ihr Haushalt kräftig gewachsen ist, warum sie die Nationale Akademie der Wissenschaften durchsetzen konnte. Und es lässt Schlüsse darauf zu, warum sie wenig fürchten muss, obwohl sie trotz gewaltigen Budgets nicht so recht leuchtet.

Im Büro von Ursula von der Leyen hängt nah am Schreibtisch eine gerahmte Urkunde. Die Ministerin weist nicht drauf hin. Aber sie freut sich, wenn es entdeckt wird. Die PR-Branche hat sie ihr verliehen - als Auszeichnung für ihre Arbeit. Ob sie die auch ihrer Kollegin Schavan schon mal gezeigt hat? Angela Merkel würde das gefallen. Sie will nächstes Jahr die Wahl gewinnen - und wird fürs Image der CDU beide brauchen.

© SZ vom 9.7.2008/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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