Mini-Nuklearwaffen:Die doppelte Gefahr der kleinen Bombe

Lesezeit: 2 min

Die US-Regierung möchte einen neuartigen atomaren Bunkerknacker gegen unterirdische Terroristen-Verstecke einsetzen - und könnte damit ein neues Wettrüsten starten.

Von Frank Nienhuysen

Es ist ein harmlos klingender Posten im Haushaltsentwurf des amerikanischen Energieministeriums, vier Buchstaben lang: RNEP, bemessen mit lediglich vier Millionen Dollar für eine wissenschaftliche Studie.

Kleinkram könnte man denken, und doch verbirgt sich dahinter gewaltiger Sprengstoff. RNEP steht für Robust Nuclear Earth Penetrator, für einen neuartigen atomaren Bunkerknacker. Er soll nach dem Willen der USA einmal gegen tief unter der Erde liegende Ziele eingesetzt werden, gegen Kommandozentralen von Terrorgruppen, gegen Massenvernichtungswaffen oder deren Trägersysteme.

Amerikanische Wissenschaftler schätzen, dass es weltweit etwa 10000 solcher Bunker gibt, gegen die konventionelle Bomben stumpfe Waffen blieben.

Eine erfolgreiche Mini-Atombombe käme dem Pentagon da sehr gelegen; sie hätte eine höhere Durchschlagskraft, wäre aber zugleich in einem eng begrenzten Gebiet einsetzbar. Genau deshalb aber wird sie von Kritikern gefürchtet; sie meinen, ein atomarer Krieg würde damit führbar und deshalb auch wahrscheinlicher.

Vor einem Jahr noch hatte der Kongress die Bewilligung für das Forschungsprojekt abgelehnt, die Bush-Regierung aber lässt nicht locker. In den nächsten beiden Jahren will sie sogar 26 Millionen Dollar dafür ausgeben.

Ein Sprecher von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte, den heutigen Herausforderungen könne man nicht mit Waffen aus der Zeit des Kalten Krieges begegnen. Aus Sicht der demokratischen Kongressabgeordneten Ellen Tauscher ist die Rüstungsstudie dagegen nicht nur "unnütze Geldverschwendung", das Projekt könnte sogar "weltweit zu einem neuen atomaren Wettrüsten führen".

Als die Pläne der Amerikaner über die Entwicklung der Mini-Nukes bekannt wurden, reagierte Moskau prompt. Furchterregend sei das, ¸¸Russland muss nun seine Nuklearstrategie überdenken", sagte der stellvertretende russische Generalstabschef Jurij Balujewskij.

Vor einem neuen Wettrüsten?

Im vergangenen November schließlich erklärte Kremlchef Wladimir Putin: Russland arbeite an nuklearen Waffensystemen, die es noch nicht gibt und die bei den anderen Atommächten auch in den nächsten Jahren nicht existieren werden. Setzt nun also zwischen den beiden größten Nuklearmächten Russland und den USA tatsächlich ein neues Wettrüsten ein?

Der Öffentlichkeit jedenfalls ist das genaue Gegenteil versprochen worden. Vor drei Jahren erst hatten Putin und US-Präsident George Bush mit großem Pomp in Moskau einen wichtigen Abrüstungsvertrag unterzeichnet, der dem Geist des Atomwaffensperrvertrags entsprach. Darin verpflichten sich beide Staaten, bis zum Jahr 2012 ihr strategisches Arsenal auf jeweils höchstens 2200 Atomsprengköpfe zu verringern.

Ende der achtziger Jahre noch hatten Russland und die USA insgesamt weit mehr als 20 000 derartige Sprengköpfe. Kritiker wie der US-Physiker Sidney Drell werfen der US-Regierung indes vor, dass sie sich mit der tatsächlichen Abrüstung zu viel Zeit lasse.

Ohnehin enthält der jüngste Abrüstungsvertrag eine wesentliche Schwachstelle: Er sieht zwar den Abbau der Sprengköpfe vor, nicht aber ihre ausdrückliche Vernichtung. Viele Experten erwarten deshalb, dass die meisten Waffen lediglich eingelagert und bei Bedarf reaktiviert werden könnten.

Denn auch wenn die Supermächte nach außen hin gegenseitiges Vertrauen beteuern: Das Misstrauen bleibt. So heißt es in der Nuclear Posture Review, dem Bericht der USA über ihre Atom-Strategie: "Russlands Nuklearstreitkräfte und -programme bleiben ein Grund zur Sorge. Falls sich die amerikanisch-russischen Beziehungen in der Zukunft deutlich verschlechtern sollten, müssten die USA ihre atomare Stärke wohl überprüfen."

Eine vollständige Abrüstung, wie es der Atomwaffensperrvertrag im Prinzip vorsieht, wird es so bald also nicht geben. Zumal die russische Rüstungslobby nach vielen Tests herbeisehnt, dass endlich die neue Interkontinentalrakete Topol-M an die Armee ausgeliefert wird. Im nächsten Jahr könnte das bereits soweit sein.

© SZ vom 2.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: