Mindestlohn im Bundestag:Erhitzte Koalitionsgemüter

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Die SPD droht der Union mit Krach, der Koalitionspartner gibt sich sperrig und Oppositionschef Westerwelle höhnt über den Vizekanzler - die Mindestlohndebatte im Parlament.

Linksaußen auf der Regierungsbank schaute Franz Müntefering mit zunehmend finsterer Miene zum Rednerpult unter der gläsernen Reichstagskuppel. Dort stand FDP-Chef Guido Westerwelle und verhöhnte regelrecht den Vizekanzler von der SPD.

"Je länger bei jeder Rede von Ihnen der Beifall hier wird, umso mehr riecht er nach Abschied, Herr Minister!", rief Westerwelle in der Debatte um den Postmindestlohn dem Arbeitsminister zu, der im parteiinternen Machtkampf mit SPD-Chef Kurt Beck um das Arbeitslosengeld I den Kürzeren gezogen hatte.

Beim Mindestlohn aber wird selbst ein geschwächter "Münte" für die Union ein harter Gegner bleiben. Am Donnerstag preschte er im Parlament mit einem ehrgeizigen Fahrplan vor, um bis Ende November die Aufnahme der Briefdienste in das Entsendegesetz durchzudrücken und damit die Voraussetzung für Lohnuntergrenzen in der Branche zu erfüllen. Die Union protestierte postwendend: Der Arbeitsminister trickse bei den Zahlen und halte sich nicht an Absprachen.

Meidet die Kanzlerin die Konfrontation?

Müntefering will Kurs halten: Es sei menschenunwürdig, frühmorgens für einen Vollzeitjob aufzustehen, der wegen Niedriglöhnen nicht zum Lebensunterhalt reiche, sagte der Minister.

Damit wird deutlich, dass der Koalitionsstreit um Lohndumping, Briefträger und den Ex-Monopolisten Post sich in den nächsten Wochen eher noch verschärfen dürfte. "Es ist für beide Seiten ein Symbolthema", heißt es in der Union.

Die SPD könne hier nach dem zu erwartenden Linksruck auf dem Hamburger Parteitag weiter ihre Verbundenheit zu den Gewerkschaften dokumentieren. Die Union wiederum müsse deutlich machen, dass sie den guten alten ordnungspolitischen Grundsatz nicht über Bord geworfen habe, wonach die Festlegung der Löhne zunächst Sache der Tarifparteien sei.

So drängt die SPD auf eine schnelle Lösung. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Olaf Scholz droht schon mit einem "größeren Krach". Umgekehrt will die Union darauf beharren, dass Müntefering haarklein darlegt, ob tatsächlich die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit vorliegen, nachdem sie ihre strikte Haltung gegenüber Mindestlöhnen schon ein wenig gelockert hat.

Als Hüter der Idee der möglichst staatsfreien Lohnfindung sieht sich die Unionsfraktion besonders gefordert. Auf sie setzen die Zeitungsverlage, die am Briefgeschäft mitverdienen wollen, anscheinend größere Hoffnungen als auf das Beharrungsvermögen der Kanzlerin. Rund um den Reichstag kursiert bereits das Gerücht, dass sie Merkel nicht zutrauen, dass sie hier auf Konfrontationskurs zur SPD geht.

Der Konflikt um den Mindestlohn ist auch wegen des Richtungsstreits in der SPD interessant. Müntefering könnte sich mit einem Erfolg über die Union parteiintern aus der durch die Arbeitslosengeld-Debatte entstandenen Isolation befreien und neben Beck als Wahrer der Interessen des kleinen Mannes profilieren. Den Agenda 2010-müden Genossen könnte er am Ende des Jahres zurufen: "Seht her, so schlimm bin ich dann doch nicht."

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