Millionenauftrag ohne Ausschreibung:Parteien greifen Florian Gerster scharf an

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Die Union fordert eine Untersuchung über das Verhalten des Chefs der Bundesanstalt für Arbeit. Kritik kommt auch von den Grünen.

Von Jonas Viering

(SZ vom 25.11.2003) — Florian Gerster, der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), ist wegen des Millionenauftrags an einen Kommunikationsberater heftig unter Druck geraten. Führende Oppositionspolitiker griffen ihn am Montag scharf an, auch die Bundesregierung verteidigte ihren Amtschef nur halbherzig.

Im Mittelpunkt der Kritik steht die Höhe der Honorare: 1,3 Millionen Euro für 21 Monate an ein Team der Agentur WMP. Brisanter aber ist, dass die Aufträge ohne öffentliche Ausschreibung vergeben worden sind.

Das zuständige Bundeskartellamt wollte dies zunächst nicht kommentieren. Mehrere Experten bemängelten jedoch die freihändige Vergabe. "Nicht vertretbar" nannte etwa Vergaberechtler Ingo Brinker, Autor von Rechtskommentaren und Partner einer auf diesem Gebiet führenden Großkanzlei, das Verfahren gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Brinker schränkte lediglich ein, dass er nicht alle Details des konkreten Falles kenne. Von der Pflicht zur Ausschreibung gibt es zwar Ausnahmen - die Bundesanstalt beruft sich auf die Dringlichkeit der Auftragsvergabe. "Aber der Europäische Gerichtshof urteilt hier zu Recht sehr streng", erklärte der Bonner Jura-Professor Jost Tietzcker.

Friedrich Merz, Vize-Chef der Unions-Fraktion im Bundestag, verlangte eine Sondersitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit noch in dieser Woche, um über den Beratervertrag Aufschluss zu erhalten. Er sei "einigermaßen fassungslos" über die Ausgaben Gersters, sagte Merz. CSU-Chef Edmund Stoiber sprach von einem "Skandal": In der Bundesanstalt ließen sich Milliarden sparen. Gerster lasse "jedes Fingerspitzengefühl vermissen", sagte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper.

Gerster steht auch intern unter Druck

Gerster, zuvor SPD-Sozialminister in Rheinland-Pfalz, war 2002 von der rot-grünen Bundesregierung an die Spitze aller Arbeitsämter berufen worden. Er brachte die schwerfällige Behörde auf Reformkurs. "Wir haben keine Anhaltspunkte, Herrn Gerster im Moment in irgendeiner Weise zu kritisieren", sagte offiziell eine Sprecherin des Arbeitsministeriums. Dies ist jedoch eine sehr schwache Formulierung; intern steht Gerster auch im Regierungslager in der Kritik.

Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer sagte offen, er bezweifle, dass die Probleme der Bundesanstalt mit Beraterverträgen zu lösen seien. SPD-Fraktions-Chef Franz Müntefering stellte sich dagegen vor Gerster: Die neue Öffentlichkeitsarbeit sei nötig, Kritik daran "unehrlich".

Die Vertreter der Arbeitgeber im BA-Verwaltungsrat wollen zunächst den Beratervertrag prüfen - und machen dabei deutlich Druck. Intern war zu hören, die Kritik an Gerster sei aber teils populistisch. Das Gremium hatte die 25 Millionen Euro für die Umsetzung des Kommunikationskonzeptes sperren lassen. Bernd Schiphorst von WMP erklärte, seine Beratung habe die Bundesanstalt letztlich von Kosten entlasten sollen. Im Aufsichtsrat der WMP sitzt pikanterweise Rainer Wend, der SPD-Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit.

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