Millionen von Thyssen kassiert:Kohls Verteidigungsstaatssekretärin wegen Betruges angeklagt

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Die Staatsanwaltschaft wirft Agnes Hürland-Büning besonders schweren Betrug und Falschaussage vor. Auch die Lobbyisten Dieter Holzer und der ehemalige Thyssen-Manager Herbert G. müssen sich vor Gericht verantworten.

Von Hans Leyendecker

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wirft Hürland-Büning (CDU), Holzer und G. Betrug zu Lasten einer Tochterfirma des Thyssen-Konzerns in einem besonders schweren Fall vor. Die Angeschuldigten bestreiten alle Vorwürfe.

Nach Angaben der Strafverfolger sollen alle drei Angeschuldigten 1995 gegenüber der Thyssen-Tochter Europarc Thyssen Dreilinden GmbH im Rahmen eines Grundstückskaufs falsche Angaben über angebliche Beratungsdienstleistungen von Hürland-Büning gemacht und sich ein ungerechtfertigtes Honorar in Höhe von damals 5,75 Millionen Mark (2,9 Millionen Euro) geteilt haben.

Außerdem soll die CDU-Politikerin bei ihrer Zeugenaussage vor dem Berliner Parteispenden-Untersuchungsausschuss Ende April 2000 falsche Angaben gemacht und ihre Rolle als Lobbyistin geschönt haben. Hürland-Büning hatte zwar einen Teil ihrer vor dem Ausschuss gemachten Äußerungen korrigiert und 22 Stellen im Protokoll streichen lassen, die sich auf ihre Geschäftsbeziehungen zu Holzer bezogen. Geholfen hat ihr dies nicht.

Hürland-Büning war von 1987 bis 1991 parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium.

Nach Überzeugung der Ermittler hat sie ihre Mitwirkung bei Projekten falsch dargestellt, "um für sie günstige falsche Tatsachenfeststellungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu bewirken".

Die Anklage liefert einen tiefen Einblick in das Treiben der Lobby in Bonn. Im Januar 1991 war Hürland-Büning, die von Parteifreunden als "Mutter Courage der Nation" hochstilisiert worden war, auf der Hardthöhe mit einem Zapfenstreich verabschiedet worden und hatte schon drei Monate später ihre Tätigkeit als Lobbyistin aufgenommen.

Kickback

Während die heute 77-Jährige öffentlich erklärte, sie könne sich vorstellen, als "One-Dollar-Frau" im Osten anzupacken, kassierte sie allein vom Thyssen-Konzern für Beratungsdienstleistungen, deren Wert die Ermittler nicht in jedem Fall erkennen konnten, etwa 8,5 Millionen Mark Honorar.

Rund 3,5 Millionen Mark führte Hürland-Büning an die "Delta International Establishment" Holzers mit Sitz in Liechtenstein und Monaco ab. Das Geld wurde auch vor dem Fiskus als Vermittlungsgebühr für Holzer deklariert.

Der wegen seiner Rolle in der Schmiergeld-Affäre um den französischen Ölmulti Elf Aquitaine jüngst in erster Instanz zu einer Haftstrafe verurteilte Holzer soll mehr als drei Millionen Mark an den damaligen Thyssen-Mitarbeiter G. weitergeleitet und 400.000 Mark für die Verschleierung dieser Zahlung selbst kassiert haben. Dieses Verfahren heißt in der Wirtschaft "Kick-back".

© SZ vom 17.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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