Michel Friedman:Hin und weg vom Bildschirm

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Warum sich Michel Friedman als geläutert empfindet und es für den Kommunikationsmenschen keine Alternative zur Rückkehr ins Fernsehen gibt.

Von Hans-Jürgen Jacobs

(SZ vom 20.2.2004) - Die drei Leibwächter sind immer dabei. Auch auf dem kurzen Weg von der Anwaltskanzlei des Michel Friedman im Frankfurter Nordend zu seinem Stamm-Italiener sichern sie an diesem ruhigen Mittag das Gelände. Dort im Restaurant erzählt der Jurist, der zum Talkmaster wurde, bei Tomatensalat und Spaghetti all' amatriciana von der Medienlandschaft, wie er sie wahrnimmt. Lebt einer wie Friedman, bei dem schon ein kleiner Spaziergang zum Fall für Bodyguards wird, von der Droge Aufmerksamkeit? Nein, sagt er: "Ich brauche die Droge Kommunikation. Ich funktioniere im Dialog mit Menschen. In einer Sendung konzentriere ich mich ganz auf die Gäste und vergesse, dass die Kameras laufen."

Vor dem Sprung zurück auf die Bühne

Er muss manches Mal gelitten haben, besonders in jenen Wochen nach dem Skandal vom Juni 2003, als Geschichten um Prostituierte und Kokain publik wurden. Als viele eben nicht mehr mit ihm kommunizieren wollten und der Delinquent seine TV-Talkshows "Friedman" (ARD) und "Vorsicht! Friedman" (Hessen Fernsehen) verlor. Als er seine Ämter im Vorstand des Zentralrats der Juden in Deutschland und im Präsidium des European Jewish Congress abgab. Als die öffentliche Figur Friedman innerhalb kurzer Zeit zerfiel. Nun aber steht Michel Friedman vor dem Comeback, vor dem Sprung zurück auf die Bühne - einer, der sich als geläutert empfindet, will eine echte zweite Chance.

Die gibt ihm der Fernsehkanal 13th Street des amerikanischen Studios Universal im Abo-Fernsehen von Premiere, wo Friedman am 15.März seine neue rechtspolitische Talkshow mit je zwei Gästen startet. "Im Zweifel für...Friedmans Talk" flankiert den deutschen Pay-TV-Start der US-Erfolgsserie "Law & Order", die aus Sicht der Strafverfolger und der Verteidiger Kriminalfälle referiert. Friedman will über die dort abgehandelten Probleme wie Ausländerkriminalität, Aggression gegen Homosexuelle oder Jugenddelikte streiten. Und er will Themen wie Sterbehilfe und Bürgerrechte sowie aktuelle Gerichtsverfahren, zum Beispiel gegen Josef Ackermann von der Deutschen Bank oder gegen Michael Jackson, aufgreifen.

Am Dienstag war Friedman erstmals wieder in einem Fernsehstudio in der Gastgeberrolle. In Berlin hat er, angeleitet von der Produktionsfirma TV21 der Talklady Sabine Christiansen, geprobt. Friedman war gut wie früher. Er lebt durch Kommunikation. Aber werden ihn die Deutschen wieder aufnehmen? Werden sie die Eskapaden in einem Berliner Hotel vergessen? Oder freuen sie sich weiter über ein Schauspiel, das Titel wie "Der angeklagte Ankläger" oder "Moralist ohne Moral" tragen könnte?

Schwere Sätze

Es gibt wenige Bemerkungen, die Michael Friedman so zusetzen können wie jene, dass ihn die Deutschen nicht lieben. Dass sie ihn als arrogant empfinden und bestenfalls respektieren wegen der fixen Art, mit der er unehrliche Politiker vorführen kann. Immer aber erinnert sein Rigorismus an eigene Schwächen. Friedman selbst sagt schwere Sätze wie: "Ich bin auch ein trauriger Mensch." Oder: "Ich muss mit mir 24 Stunden am Tag leben." Das Tragische in ihm ist die Angst, dass sich das Schlimmste wiederholen kann, selbst der Holocaust. Die Hoffnung in ihm sagt, dass Liebe die Einsamkeit besiegt. Was Friedman da sagt, klingt nicht wie Friedman - und doch glaubwürdig.

Im vergangenen Sommer ist Friedman abgestürzt. Er nennt das die "äußere Explosion" einer inneren Krise, die sich über die Jahre langsam durch seine Persönlichkeit gefressen hat: öffentliche Ämter von Jugend an, erst als Schulsprecher, dann in der Jüdischen Gemeinde. Politische Arbeit in der CDU, wo er auch mal im Bundesvorstand war, bevor er es wagte, Helmut Kohl zu kritisieren. Auftritte im Fernsehen. Auftritte bei Veranstaltungen. Nur drei Stunden Schlaf. "Es war wie bei einer alten Schellack-Platte", sagt Friedman: "Die Musik war gut, aber die Geschwindigkeit war falsch eingestellt."

Mediales Fegefeuer

Er hat sich nach dem Eklat Ruhe gegönnt. Hörte in sich hinein. "Ich musste auf- und abarbeiten. Ich stecke so etwas nicht einfach weg." Und dann, leiser: "Ich musste mein Leben aufarbeiten." Friedman sagt, er habe begonnen, "Inseln für sich zu schaffen", und dabei habe ihm die Auseinandersetzung mit dem Buch geholfen, dem langsamsten und intensivsten Medium. Für den Aufbau-Verlag gibt er politische Werke heraus; eigene Gesprächsbände sollen nächstes Jahr erscheinen.

Vor allem kam ein mediales Fegefeuer: Friedman, der unerbittliche Talkmaster, musste selbst als ein sich entschuldigender Gast in Talkshows auftreten. Das gelang bei der von ihm geschätzten Sabine Christiansen. Aber Friedman war auch im "Grünen Salon", wo Moderator Claus Strunz versuchte, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, und frech fragte, ob Friedman wieder im besagten Berliner Hotelzimmer genächtigt habe. Friedman wird das als "nebbich" empfunden haben. Doch er war sichtbar nervös.

Lieben ihn die Deutschen wirklich nicht? "Die Fragen waren legitim", kommentiert er heute. Aber er wundert sich schon über die "Projektionswand Friedman"; er erscheine anscheinend im öffentlichen Bewusstsein als "geklonte Person". Zum Beispiel sei er nie Moralist in privaten Dingen gewesen, sagt der Mann mit den vielen Lebensmittelpunkten (Frankfurt, Cannes, Paris).

Neue Glaubwürdigkeit

Dieser "Citoyen", wie er sich selbst nennt, ist viel zu klug, als dass er ignorierte, dass die Gesellschaft Buße will. Aber er hat Förderer wie die Filmproduzentin Regina Ziegler ("Freund bleibt Freund"), die eine Unterstützungsparty organisierte, zu der CDU-Chefin Angela Merkel kam. Auch half Ziegler bei den Kontakten zu Universal, wo ein Praktikant die Idee mit Friedman hatte. Langsam reifte die Idee, auf die sanfte Art des Abofernsehens zurück ins Kameralicht zu gehen. "Ich habe alles hergegeben, wirklich alles, was ich mir jahrzehntelang aufgebaut habe", sagt Friedman, das sei die Voraussetzung für neue Glaubwürdigkeit gewesen: "Die Guillotine ist vorbei."

Es ist wieder eine dieser Bewährungen, von denen er in seinem Leben so viele brauchte. Irgendwann spricht der 47-Jährige in seiner Kanzlei von Oskar Schindler, dem deutschen Fabrikanten, der im Nazi-Reich 1 100 Juden vor dem Tod im KZ rettete, darunter auch Michel Friedmans Eltern: "Ohne ihn gäbe es mich nicht." Viele Mitglieder der Familie aber waren ermordet worden, und Friedman sagt, er sei die ersten Jahre in Paris "auf einem Friedhof" aufgewachsen.

1965 eröffnete der Vater in Frankfurt ein Pelzgeschäft. Die Eltern feuerten den Jungen an, er sollte bestehen in einer Gesellschaft, die mit der Lebenslüge "Stunde Null" lebte; so belegte der Junior mit 16 Jahren einen teuren Fernkurs für Journalismus. Der Tod der Eltern vor einigen Jahren zerriss ihn fast. Er habe das nicht bewältigt, sondern kompensiert, sagt Michel Friedman.

Werben für die Streitkultur

Nun also das Comeback. Vielleicht wird er wieder im European Jewish Congress aktiv. Sicher wird er im Fernsehen wieder für die Streitkultur werben, die in der deutschen Konsensgesellschaft nicht geschätzt werde. Rund 170 000 Leute sehen seinen neuen Heimatkanal 13th Street, eine Zahl, die Sandra Maischberger auf n-tv nicht erreicht. "Im Pay-TV hat man Zeit und muss sich nicht über Quoten definieren", sagt Friedman, der 1997 bei Premiere den Talk "43:30 - Zeit für Politik" leitete. Natürlich wissen alle, dass bei Erfolg rasch andere Sender anrufen: Sat1 zum Beispiel. Friedman geht wahrscheinlich davon aus, dass neben all den Kuscheltalkern wie Kerner und Beckmann Platz für harte Talks sein müsste.

In Amerika jedenfalls gibt es schon einen ersten Erfolg: Die Universal-Bosse wollen die Idee mit dem Talk rund um "Law & Order" aus der Fernsehkolonie Germany importieren. Das sei vielleicht der "Beginn einer langen Freundschaft", sagt Friedman über die zunächst auf ein Jahr vereinbarte Bindung. Er hat sich am Dienstag im feudalen "China Club" im Berliner Hotel Adlon einer Journalistenrunde gestellt: mit dampfender Zigarre und viel Mineralwasser. Es lief gut für ihn. Hier war keiner von denen, die ihm allen Ernstes ein Doppelinterview mit dem Maler Jörg Immendorff über Koks und Konkubinen vorgeschlagen haben. Sogar ein öffentlich-rechtlicher Intendant habe angerufen und zu dem "tollen Coup" mit Friedman gratuliert, erzählt Wolfram Winter, der deutsche Universal-Chef, über die neue Show. Und fügt vorsichtig hinzu: "Das Ganze muss noch eine Seele bekommen."

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