Merkel und China:Mehr als nur das Virus

Die Kanzlerin verzichtet auf einen europäischen Höhepunkt ihrer Amtszeit.

Von Nico Fried

Angela Merkel dürfte diese Entscheidung schwergefallen sein. Der EU-China-Gipfel, den sie als einen Höhepunkt der deutschen Ratspräsidentschaft im September abhalten wollte, wird verschoben. Die Kanzlerin hat das mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und mit EU-Ratspräsident Charles Michel vereinbart. Als Grund wurde in Berlin die "pandemische Gesamtlage" genannt. Aber hinter dieser Entscheidung steckt wohl mehr als nur das Virus.

In all den Jahren ihrer Kanzlerschaft hat sich Merkel um das Verhältnis zu China bemüht. Wirtschaftliche Interessen waren ein Antrieb, aber auch der Versuch, China in der Weltpolitik in die Verantwortung zu nehmen. Allerdings hat sich die Handelsbilanz deutlich besser entwickelt als die politische Einbindung. Trotzdem hielt die Kanzlerin an ihren Bemühungen fest. Eine einheitliche europäische Position gegenüber Peking wäre das erklärte Ziel für den Gipfel gewesen. Vorbei.

Corona ist ein Grund, auch der Streit um Chinas Informationspolitik. Hongkong kam dazu. Und vielleicht war noch ein Grund, dass Merkel nicht wegen der Pandemie einen G7-Gipfel bei US-Präsident Donald Trump absagen, aber gleichzeitig einen Gipfel mit China in Leipzig stattfinden lassen kann. Einem solchen Affront setzt sie die transatlantische Partnerschaft nicht aus.

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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