Menschenrechtsverletzungen:"Der Aufschrei ist längst verhallt"

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"Deutschland spielt keine vorbildliche Rolle" - Gerald Staberock von der Internationalen Juristenkommission über das Verhalten der Regierungen Europas in dem Skandal um CIA-Flüge und Geheimkerker.

Cornelia Bolesch

Seit 1952 bemüht sich die Internationale Juristenkommission mit Sitz in Genf um rechtsstaatliche Verfahren weltweit. Der deutsche Jurist Gerald Staberock (39) ist verantwortlich für das Programm Globale Sicherheit und Menschenrechte.

SZ: Welchen Stellenwert hat für Sie die aktuelle Resolution im Europarat zu den Terrorlisten?

Gerald Staberock: Ich begrüße das sehr. Maßnahmen mit derart weit reichenden Konsequenzen dürfen nicht ohne elementare Verfahrensrechte getroffen werden. Der Bericht des Schweizer Europapolitikers Dick Marty ist klar und konstruktiv. Aber vor allem zählt, dass Berichte wie dieser zu einer wirklichen Revision dieser Listen führen.

SZ: Wie groß ist die Chance?

Staberock: Ich sehe leider wieder die Gefahr eines Gewöhnungseffekts. Wie groß war der Aufschrei, als die Berichte über CIA-Gefängnisse und die Überstellungen die Runde machten. Der Aufschrei ist jedoch längst verhallt. Sowohl im Europarat als auch in der Europäischen Union sind es die Parlamente, die nicht lockerlassen. Aber dort, wo die politische Macht sitzt, geht es nicht weiter. Man hat den Eindruck, die Regierungen versuchen, die Vorgänge herunterzuspielen und auszusitzen.

SZ: Im Europarat hat es immerhin konkrete Vorschläge gegeben.

Staberock: Das stimmt. Generalsekretär Terry Davis hat im Zuge der Enthüllungen drei präzise Vorschläge gemacht. Es ging vor allem um eine bessere Kontrolle der Geheimdienste.

SZ: Was ist daraus geworden?

Staberock: Nach monatelangem Hinhalten hat das Ministerkomitee des Europarats die Vorschläge am letzten Freitag auf Eis gelegt. Es zeigt letztlich, dass die Regierungen kein Interesse an einer wirklichen Aufarbeitung haben. Es entsteht der Eindruck, dass man die ganze Sache banalisieren, verharmlosen will. Man hätte Polen zum Beispiel auffordern müssen, den Vorwürfen über Geheimgefängnisse konkret nachzugehen.

SZ: Welche Rolle spielt Deutschland dabei?

Staberock: Keine vorbildliche Rolle. Es geht hier um schwerste Menschenrechtsverletzungen und auch um internationale Verbrechen. Da kann ich schwer nachvollziehen, dass die Bundesregierung die Auslieferung von CIA-Agenten nicht betreibt, die unter dem Verdacht stehen, an der Entführung eines deutschen Staatsbürgers mitgewirkt zu haben. Politische Opportunität sollte hier ihre Grenzen haben.

SZ: Die Internationale Juristenkommission wird im Herbst einen Bericht über Menschenrechte und globale Sicherheitspolitik vorlegen. Was ist zu erwarten?

Staberock: Acht führende Juristen haben 16 Anhörungen auf der ganzen Welt durchgeführt und dabei mehr als 35 Länder untersucht. Es stellt die ausführlichste Untersuchung dieses Themas weltweit dar. Die Anhörungen haben gezeigt, dass es eine globale Erosion der Menschenrechte gibt. Auch der UN-Sicherheitsrat ist an die Menschenrechte gebunden. Wenn er solche Listen erstellt, dann muss er auch für rechtsstaatliche Prozeduren sorgen

© SZ vom 23. Januar 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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