Meine Presseschau:Sorge um die Freiheit

Lesezeit: 2 min

Sebastian Schoepp ist Redakteur im Ressort Außenpolitik der SZ. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Brasiliens neuer Präsident droht bereits einer kritischen Zeitung - auch deshalb ist der Unmut über ihn in Lateinamerika groß.

Von Sebastian Schoepp

Was das Verhältnis zur Öffentlichkeit angeht, erweist sich Brasiliens künftiger Präsident als gelehriger Schüler seines Vorbildes Donald Trump. Jair Bolsonaro setzt ganz auf soziale Netzwerke, er gewann die Wahl mithilfe einer gewaltigen Whatsapp-Kampagne. Es war Brasiliens größte Zeitung Folha de S. Paulo, die ihm dabei Unregelmäßigkeiten nachwies. Unternehmen finanzierten die massive Verbreitung von Whatsapp-Nachrichten, die sich gegen die unterlegene Arbeiterpartei richteten. Die Kontaktdaten wurden demnach von Bolsonaros Wahlkampfteam geliefert. Das gilt in Brasilien als illegale Wahlkampffinanzierung.

Den Ärger des rechtsextremen Bolsonaro über diese Enthüllung bekam das Blatt aus São Paulo diese Woche zu spüren. Bolsonaro drohte, Folha den Status als Amtsblatt zu entziehen, ein gewichtiger Verdienstausfall für eine Zeitung. Folha, alles andere als linksorientiert, reagierte mit einer klaren Ansage: Eine solche Maßnahme von Seiten eines gewählten Politikers sei ein Novum seit Ende der Militärdiktatur. "Nur weil der gerade amtierende Mandatsträger zur Taktik der Einschüchterung greift, werden wir nicht aufhören, die Machtausübung kritisch zu begleiten." Folha kündigte an, vermehrt um Abonnenten und freie Anzeigenkunden zu werben.

Das dürfte Bolsonaro leider relativ kalt lassen, denn Zeitungen sind in Lateinamerika traditionell ein Nischenprodukt, die große Mehrheit versorgt sich über das Fernsehen mit Informationen, das in letzter Zeit wiederum an Boden gegenüber sozialen Netzwerken verliert. Das machte sich nicht nur der Brasilianer Bolsonaro zunutze, sondern auch Andrés Manuel Lopez Obrador, genannt Amlo, der die mexikanische Präsidentschaftswahl im Juli per Facebook gewann. Amlo ist in vieler Hinsicht der Gegenpol Bolsonaros, er hat seine Wähler vor allem in ärmeren Schichten, sein Sieg bedeutet einen Linksruck in Mexiko. Heftig ist dort die Kritik an Bolsonaro. Die Zeitung El Universal schreibt, er habe nicht nur seine Verachtung gegenüber der Umwelt und Minderheiten ausgedrückt, seine Hasstiraden richteten sich gegen alles, was anders sei. El Universal vergleicht die Rhetorik des Brasilianers mit der von Donald Trump, der Hass-Verbrechern eine vermeintliche Legitimation liefere. Allerdings müsse Mexiko aus dem Fall Brasilien lernen, denn der Ärger über die politische Klasse und ihre Korruption sei leider berechtigt.

Auch sonst überwiegt in Lateinamerika die Kritik an Bolsonaro, selbst bei konservativen Blättern wie La Nación in Buenos Aires. Sein Sieg habe die Ideale der Demokratie gedemütigt, schreibt ein Kommentator der argentinischen Zeitung. Bolsonaro sei das Gesicht all dessen, was man in Lateinamerika überwunden geglaubt hatte; er befördere ein tiefes antidemokratisches Ressentiment. Im Wirtschaftsteil heißt es, Argentinien müsse in Sorge sein wegen des Mercosur, der gemeinsame Markt habe für Brasiliens neue Regierung "keine Priorität". Allerdings glaubt La Nación an gute Beziehungen Bolsonaros zu Argentiniens Präsident Mauricio Macri, beide seien marktliberal gesonnen.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: