Meine Presseschau:Schweiz unter Druck

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(Foto: N/A)

Der hohe Frankenkurs belastet das Land.

Ausgewählt von Charlotte Theile

Einige Monate sind vergangen, seit die Schweizer Nationalbank den Kurs des Franken vom Euro löste. Seither ist der starke Franken, mit dem die Exportindustrie, der Tourismus und die normalen Arbeitnehmer nun kämpfen, zum Wahlkampfthema geworden. An den Währungsschwankungen können Parteien und Politiker zwar nicht viel ändern, für die Nationalratswahlen im Oktober ist Wirtschaftskompetenz jedoch wichtiger denn je. Davon profitiert besonders die liberale FDP, der die Wähler auf diesem Feld traditionell einiges zu trauen. Doch auch andere Parteien machen mit wirtschaftlichen Vorschlägen von sich reden.

Wie die Sonntagszeitung berichtete, haben Sozialdemokraten aus dem italienisch-sprachigen Tessin einen Aktionsplan mit "drastischen Forderungen" ausgearbeitet: Mindestlohn, Kündigungsschutz und das Verbot, Löhne in Euro auszuzahlen. Für die liberale Schweiz "realitätsfremde" Ideen, schlicht "Polemik". So jedenfalls wird der Vorschlag beim links-liberalen Zürcher Tages-Anzeige r bewertet, der im gleichen Verlag wie die Sonntagszeitung erscheint. Hintergrund der Forderungen ist die schwierige Arbeitsmarktlage im Tessin, wo besonders viele Grenzgänger aus Italien mit den Schweizern um Arbeitsplätze konkurrieren. FDP-Landrat Ignazio Cassis wird im Tages-Anzeiger mit einem giftigen Vergleich zitiert: Die Vorschläge der Sozialdemokraten erinnerten ihn an die rechtspopulistische Lega del Ticinesi, die sich den Kampf gegen die mehr als 60 000 Grenzgänger aus Italien auf die Fahnen geschrieben hat.

Dass Arbeiter aus Italien, Deutschland und Frankreich in die Schweiz kommen, um Geld zu verdienen, ist nichts Neues. Mit der Aufwertung des Frankens ist dies jedoch noch attraktiver geworden - und die Angst der Schweizer größer, den Arbeitsplatz an einen gut ausgebildeten, günstigeren Ausländer zu verlieren. So berichtete etwa die Aargauer Zeitung Mitte Juli von einem Pharmaunternehmen in Grenznähe, das seine Mitarbeiter aus dem Euro-Raum von August an in Euro bezahlen will. Berechnet zu einem Kurs von 1,17 Franken pro Euro wäre das eine Lohnkürzung von etwa zehn Prozent. Eine illegale Ungleichbehandlung sei das, zitiert das Blatt eine Interessenvertretung der Grenzgänger. Aus Angst um den Arbeitsplatz würden jedoch keine Klagen erwartet.

Namhafte Ökonomen haben die Stellenstreichungen in den vergangenen Wochen mit Besorgnis verfolgt. So etwa Franz Jaeger, emeritierter Professor für Wirtschaftspolitik, der in der wöchentlich erscheinenden Handelszeitung von einer "schleichenden Deindustrialisierung" spricht. Er prognostiziert: "Selbst gesunde Strukturen gehen jetzt verloren."

Die schwierige Lage der Schweizer Wirtschaft trifft besonders den Einzelhandel. Er sei auf dem schlechtesten Stand seit mehr als zehn Jahren, teilten die Konjunkturforscher der ETH Zürich am Donnerstag mit. Wer etwa in der Nähe der deutschen Grenze wohnt, dürfte nicht überrascht sein. Das "Ladensterben" in und um Basel, zu dem die Basler Zeitung fast täglich neue Berichte veröffentlicht, wird als direkte Folge des Einkaufstourismus gesehen. Auch anderen Städten geht es ähnlich; die Berichte der Lokalzeitungen haben in diesen Regionen oft nur noch ein Ziel: Die Leser sollen ihr Geld in der Schweiz lassen.

"Wer am Wochenende jenseits der Grenze einkauft, gefährdet die Sicherheit" warnte vor einigen Tagen das Sankt Galler Tagblatt. Schließlich hätten die Schweizer Grenzwächter wegen der vielen Shopping-Touristen weniger Kapazitäten, Drogenschmuggler und andere Kriminelle zu observieren.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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