Meine Presseschau:Politik und ihr Einfluss

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"Schweden kann nicht, und sollte auch nicht versuchen, die Türen zu verschließen, wenn die Welt anklopft", schreibt die liberale Zeitung "Dagens Nyheter". Und weitere Stimmen zur neuen Asylstrategie des Landes.

Ausgewählt von Silke Bigalke

Auch Schweden hadert mit seiner Asylpolitik. Vergangene Woche hat das Migrationsamt seine Prognose mehr als verdoppelt: Bis zu 190 000 Menschen erwartet das Land mit seinen 9,8 Millionen Einwohnern in diesem, nicht viel weniger im nächsten Jahr. Sie kommen wegen der großzügigen Asylregel, die es nicht mehr lange geben wird. Die rot-grüne Regierung will sie gemeinsam mit der Opposition einschränken: Aufenthaltsgenehmigungen werden dann auf drei Jahre begrenzt, Menschen schneller abgeschoben. Vor einem Jahr galt das als undenkbar.

"Die Wahrheit ist, dass die Wirklichkeit sich während des Herbstes dramatisch verändert hat", schreibt die liberale Dagens Nyheter. Gemeinden und Behörden seien extrem belastet. Die Parteien müssten ihre Prioritäten überdenken. "Aber die wichtigste Einsicht ist, dass die Politik nur begrenzten Einfluss auf die Situation hat. Schweden kann nicht, und sollte auch nicht versuchen, die Türen zu verschließen, wenn die Welt anklopft." Gleichzeitig müssten sich die Ansprüche anpassen.

Die Vereinbarung von Regierung und Opposition sei eine nüchterne Anerkennung dieses Dilemmas. Die größte Neuigkeit sei, dass sich Schweden nun an die EU wende, um Entlastung zu erhalten. Die Regierung wolle geltend machen, dass Schweden "sich nicht länger am empfangenden Ende des neuen System der Union zur Umverteilung der Flüchtlinge befinde". Stattdessen sei gesagt worden, Schweden gehöre "in die Kategorie der überlastete Länder", zusammen mit Italien und Griechenland. Bereits am Tag vor der Asyl-Entscheidung hatte Dagens Nyheter die EU kritisiert: "Diejenigen, die sich entschieden haben, Verantwortung in der Krise zu übernehmen stehen nun einsam da." Sie zitierte Anders Danielsson, den Chef der Migrationsbehörde: Es sei, "als hätte Schweden eine Grenze zur Türkei, dazwischen befindet sich nichts."

Die Tageszeitung Göteborgs Posten dagegen sucht die Verantwortlichen im Land und kritisiert Innenminister Anders Ygeman, der die neuen Zelten für Flüchtlinge vorgestellt hat. "Eine gute Lösung, nannte er das. Ja, wenn es eine Idee gewesen wäre, wohin die Menschen danach gehen sollen. Einen solchen Plan gibt es nicht und deswegen ist das Zelt keine gute Lösung, sondern ein Symptom dafür, dass das Aufnahmesystem zusammengebrochen ist." Schweden könne nicht länger vortäuschen, alles was nötig sei, seien "moralische Größe und nationale Einheit". Das Schulsystem stehe unter Druck, der Wohnungsmarkt sei gelähmt, der Arbeitsmarkt bleibe vielen Einwanderern verschlossen. "Die Veränderungen sind bereits unwiderruflich. Teils weil sich die Segregationen, Gräben und sozialen Unruhen vermehren werden. Teils weil wir eine hitzigere - und hoffentlich vitalere - Diskussion darüber haben werden, was Schweden ist und sein sollte, was über Bord geworfen und welche Wertvorstellungen geklärt werden müssen. Schweden wird nicht mehr dasselbe sein."

Das Aftonbladet, das zur Boulevardpresse gehört, geht mehr auf die Details der neuen Asylstrategie ein. Die größte Änderung sei, die Aufenthaltserlaubnis zu befristen. Dabei liege die Bearbeitungszeit für einen Asylantrag, der heute gestellt wird, bereits zwischen 15 und 24 Monaten. Wenn die Behörde beschließen sollte, Asylfälle alle drei Jahre neu zu überdenken, würden Kosten und Arbeitsbelastung nur steigen, schreibt das Blatt. Es folgen einige weitere Kritikpunkte. Am Ende steht jedoch das positive Fazit, dass "ideologische und politische Widersacher nun gemeinsam Verantwortung übernehmen, um einen wichtigen Beschluss über die große Frage unserer Zeit zu verankern."

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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