Meine Presseschau:Affen sind Symboltiere

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(Foto: N/A)

Die Zeitungen in Amerika und in Europa wundern sich über die Naivität deutscher Autobauer, die ihre Glaubwürdigkeit riskieren.

Von Max Hägler

Die Aufregung in Deutschland über die Abgasexperimente war größtmöglich. Mehr als ein scharfer Ordnungsruf der Bundeskanzlerin geht kaum. Die ließ mitteilen, dass "diese Tests an Affen oder sogar Menschen" ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen seien. Die Empörung sei absolut verständlich, die Autoindustrie solle sich gefälligst an die Regeln halten und nicht mittels irgendwelcher Tests "die vermeintliche Unschädlichkeit" von Abgasen nachzuweisen versuchen.

Aber auch international stießen die obskuren Forschereien der drei deutschen Autobauer BMW, Daimler und VW auf viel Aufmerksamkeit: Was in der New York Times auf der Titelseite steht - das Blatt hatte zuerst darüber berichtet, was ein US-Anwalt in Virginia ausgegraben hatte -, ist überall Thema. Dabei standen meist die Affen mehr im Fokus als die Schadstoffversuche an Menschen, die der Autolobbyverband namens EUGT auch veranlasst hatte. Das lag wohl daran, dass die Affen eine Art "Gesicht" hatten, anders als die weiter unsichtbaren menschlichen Probanden. Zudem war dieses Experiment besonders perfide: Der Testwagen hatte wohl eine manipulierte Software, die Ergebnisse der Untersuchung samt Lungenwaschung und Bronchoskopie sind mithin völlig sinnlos aus wissenschaftlicher Perspektive, ja sogar massiv irreführend.

In den USA wurde darüber berichtet, aber abgesehen von der Times eher mittelgroß oder gar nur in der Meldungsspalte. Hämische Kommentare über die deutsche Autoindustrie waren dort kaum zu lesen oder zu hören, ausgenommen vielleicht in der Late-Night-Show von Trevor Noah. Dass die Versuche in New Mexico stattfanden, war für wenige Anlass zu tieferer Betrachtung, genauso selten wurden ethische Fragen diskutiert. Es mag daran liegen, dass der Dieselanteil so klein ist in den USA und dass Volkswagen, der Hauptakteur in dieser Sache, einen Marktanteil von unter fünf Prozent hat: Es spielt offenbar keine große Rolle, was deutsche Firmen so treiben. Auch der Diesel-Skandal ist in den USA kaum noch präsent.

In Europa ist das ganz anders; es fahren ungleich viel mehr Dieselautos herum, und oft auch welche deutscher Provenienz. "Drei Riesen im Abwärtsstrudel", heißt es in den Fernsehnachrichten des Senders France 2 mit Blick auf die Übeltäter-Konzerne Volkswagen, BMW und Daimler. Die französische Presse insgesamt blickt erstaunt auf eine Industrie, die ihre Glaubwürdigkeit weiter verspielt. Kommentatoren und Leser fragen sich, wie man als deutsche Firma den Effekt des Bildes unterschätzt haben könne: Abgas-Experimente mit Affen und Menschen in einem geschlossenen Raum.

"Wo wird der Skandal des Diesels aufhören?" fragt die französische Zeitung Le Monde. Die deutschen Hersteller hätten "Dummheit zur Schande" hinzugefügt. Und durchaus zutreffend schreibt das Blatt, dass "diese Affäre den Untergang des Diesels bedeuten könnte". In Frankreich ist diese Antriebsart sowieso im freien Fall, ähnlich wie in Deutschland: Vor fünf Jahren kauften noch 65 Prozent aller Privatleute einen Diesel, im vergangenen Jahr betrug der Anteil nur noch 38 Prozent - das vielleicht stärkste Meinungsbild zum Dieselskandal.

Dialektischer kommentiert hingegen die Neue Zürcher Zeitung. Was da erforscht wurde, das sei, "als würde man einen Medikamententest mit einem Präparat ohne Wirkstoff durchführen, um zu beweisen, dass das Mittel keine Nebenwirkungen hat", schreibt das Schweizer Blatt mit Blick auf Fragestellung und Umsetzung der Versuche. Und doch sei nicht jeder Test aus tierethischer Sicht verwerflich. Resultate aus solchen Affenexperimenten könnten eine wichtige Grundlage sein für die heutigen gesetzlichen Maßnahmen zur Luftreinhaltung. In Deutschland wäre diese Einschätzung derzeit nicht mehrheitsfähig. Obwohl sie so falsch vielleicht gar nicht ist.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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