Es ist erst Mitte April, doch Frankreichs Zeitungen haben schon jetzt jeden Winkel des Mai 1968 ausgeleuchtet. Den revolutionären Geist der Studenten ebenso wie die Vormacht der linken Chauvis, die Frauen auf den hinteren Plätzen, die Millionen streikenden Arbeiter.
In der Wochenzeitung L'Obs erinnert sich Jean Daniel, wie er jene Zeitung damals gründete und als Reporter von Demo zu Demo eilte. Es ist ein Text voller Ausrufezeichen: "Wir waren so glücklich, ohne es zu wissen!" Sie umkreisten Michel Foucault und Jean-Paul Sartre und waren "verliebt in die Revolution".
In Le Monde erklärt der Philosoph Serge Audier den aktuellen Widerwillen gegenüber Schwärmern wie Jean Daniel. Die Rechte verstehe sich heute explizit als "Generation Anti-68". Damals seien im Namen der Freiheit der familiäre, nationale und gesellschaftliche Zusammenhalt zerstört worden. So sei die "Manif pour tous", bei der Katholiken gegen die Ehe für alle demonstrieren, ein "umgekehrter Mai 1968": subversiv im Ton, aber mit erzkonservativen Zielen.
Und was, wenn man sich bei der Bewertung der kleinen Revolte ein wenig locker macht? Dann kommt man auf eine so hübsche Idee wie das Nouveau Magazine littéraire. Es erklärt Gaston Lagaffe zum "Menschen Post-68", zum "post-patriarchalen, post-produktivistischen" Mann. Lagaffe ist eine Comicfigur in einem zu kurzen, grünen Wollpullover. Frankreichs beliebtester Antiheld. Gaston eben. Als Hippie mag er die Natur, der Sinn von Arbeit erschließt sich ihm nicht wirklich, und Autoritäten lehnt er ab.