Mehreinnahmen:Merkel im Glück

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Die Regierung profitiert vom Wirtschaftsaufschwung und tut das Richtige: Sie senkt die Schulden.

Ein Kommentar von Ulrich Schäfer

Wünsche gab es viele, gute und schlechte, doch die große Koalition hat die allermeisten ignoriert. Stattdessen steckt sie die zusätzlichen Steuermilliarden vor allem in den Abbau der Neuverschuldung.

Angela Merkels Regierung wird sich in diesem Jahr nicht 38 Milliarden Euro leihen, wie im Sommer geplant, sondern nur 30 Milliarden Euro, im nächsten Jahr werden es sogar nur 19,6 Milliarden Euro sein.

Dies ist der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. Aber es ist immer noch doppelt so viel im letzten Jahr vor der Wiedervereinigung und zehnmal so viel wie im letzten Jahr des SPD-Kanzlers Willy Brandt.

Deshalb ist es auch richtig, dass die große Koalition nur einen Teil der unverhofften Einnahmen anderweitig nutzt und die Lohnnebenkosten stärker senkt. Wer heute, mitten im Boom, mehr Steuergeld in die Sozialversicherungen pumpt, schafft sich morgen, wenn es nicht mehr brummt, neue Probleme.

Dann fehlt das Geld, das heute über die Maßen fließt, und die Regierung - sei es die jetzige, sei es eine andere - muss wieder hektisch überlegen, wo sie denn kürzen kann, ohne allzu sehr weh zu tun. Solche eine Ad-hoc-Politik verwirrt die Bürger, verstört die Wirtschaft und untergräbt das Vertrauen in die Politik.

Klare Entscheidungen

Die große Koalition hat in den vergangenen Monaten mit ihrer Gesundheitsreform, die inhaltlich und handwerklich missraten ist, zu eben diesem Vertrauensverlust einiges beitragen. Die Entscheidungen des Geldgipfels, und auch tags zuvor die Beschlüsse zur Reform der Unternehmensteuern, könnten dazu beitragen, dass die Regierung Merkel und die Politik insgesamt ein wenig von diesem Vertrauen zurückgewinnt. Die Koalitionäre haben gezeigt, dass sie auch zu schnellen und klaren Entscheidungen fähig sind.

Insofern sollten Union und SPD darauf achten, dass sie weiterhin vorsichtig kalkulieren. Es ist besser, auch den Haushalt des nächsten Jahres auf eher zurückhaltenden Prognosen aufzubauen als auf schön gerechneten Zahlen.

Es ist besser, im Nachhinein zu verkünden, alles sei viel besser gelaufen, als einräumen zu müssen, dass wieder mal die eigenen Vorgaben verfehlt wurden, weil die Binnennachfrage, die Weltkonjunktur oder sonst wer nicht mitgespielt hat. Gerhard Schröder und Hans Eichel mussten dies immer wieder tun, obwohl sie doch eigentlich auch den Etat sanieren wollten.

Hohes Risiko

Angela Merkel hat nun das Glück, dass ihr erstes Jahr als Kanzlerin mit einem erstaunlich kräftigen Aufschwung zusammenfällt. Das Minus in der öffentlichen Kasse schwindet wie von selbst. Merkel hat, ebenso wie ihr Finanzminister, verstanden, dass sie dieses Glück nun nicht durch ein allzu freigiebiges Ausgabegebaren aufs Spiel setzen darf.

Sie riskiert viel, denn im nächsten Jahr erhöht ihre Regierung auch die Mehrwertsteuer. Die Konjunktur kann deswegen abstürzen, sie muss es aber nicht. Sollte der Aufschwung sich fortsetzen, könnte Merkels Glück im nächsten Jahr noch ein wenig größer ausfallen.

© SZ vom 4. November 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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