Medien in der Türkei:Schlag gegen die Presse

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Die Istanbuler Staatsanwaltschaft fordert extrem hohe Haftstrafen für Dutzende Journalisten der eingestellten Zeitung "Zaman".

Von Luisa Seeling, München

Ein Istanbuler Staatsanwalt hat lebenslange Haftstrafen für fast drei Dutzend frühere Mitarbeiter der türkischen Tageszeitung Zaman gefordert. Das Blatt war im März 2016 unter staatliche Aufsicht gestellt und nach dem gescheiterten Putsch im Juli ganz eingestellt worden. In der am Dienstag veröffentlichten Anklageschrift, die noch von einem Gericht angenommen werden muss, fordert die Staatsanwaltschaft jeweils drei Mal lebenslänglich für insgesamt 30 Personen. Darunter sind prominente Kolumnisten wie der 73-jährige Politologe Şahin Alpay, der sich inzwischen an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt hat. Nach türkischen Medienberichten werden ihnen Umsturzpläne und die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. 21 der 30 Angeklagten befinden sich bereits in Untersuchungshaft, die anderen müssen nun wohl mit ihrer Festnahme rechnen; einer wird in der Anklageschrift als "flüchtig" aufgeführt.

"Zaman" galt als Flaggschiff der Gülen-Bewegung, seit letztem Sommer gibt es sie nicht mehr

Zaman galt als publizistisches Flaggschiff der Gülen-Bewegung; die türkische Regierung macht den im US-Exil lebenden Prediger für den Umsturzversuch verantwortlich. Die Justiz verfolgt aber nicht nur Gülen-nahe Medien. Auch 19 Mitarbeitern der Tageszeitung Cumhuriyet drohen Haftstrafen von bis zu 43 Jahren, vergangene Woche legte die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vor. Darin bezichtigt sie das Blatt, der Gülen-Bewegung nahezustehen, zugleich soll es mit der verbotenen PKK gemeinsame Sache gemacht haben. Cumhuriyet hat darauf hingewiesen, dass die Zeitung kritisch über das Gülen-Netzwerk berichtet habe, als die regierende AKP noch mit der Bewegung verbündet war.

Mehr als 150 Journalisten befinden sich derzeit in der Türkei in Haft. Unter ihnen ist auch der Korrespondent der deutschen Tageszeitung Die Welt, Deniz Yücel, der seit Februar inhaftiert ist. Nach Angaben von Menschenrechtlern ist zudem am Montag ein italienischer Journalist festgenommen worden, der auch für die deutsche taz schreibt. Gabriele del Grande sei bei einer Polizeikontrolle in der Provinz Hatay festgesetzt worden, wo er für ein neues Buch recherchiert habe.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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