Marodes Atommülllager:Neues altes Asse

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Nach den Pannen in Asse hat ein Krisenteam des Bunds beschlossen: Der Betreiber wechselt, es gilt Atomrecht. An der Sicherheit ändert dies aber nichts.

Ein Krisenteam aus Bund und dem Land Niedersachsen hat sich nach den Versäumnissen im Atommülllager Asse auf eine Lösung verständigt: Das Bundesamt für Strahlenschutz übernimmt die Verantwortung - anstelle des bisherigen Betreibers, dem Münchner Helmholtz-Zentrum.

Marodes Atommülllager Asse: Bis Ende des Jahres soll ein Konzept für die Schließung vorliegen. (Foto: Foto: AP)

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht gern vom schärferen Atomrecht, das von jetzt an gelten soll. Das frühere Salzbergwerk Asse, das durch radioaktive Laugen teilweise verseucht ist, soll damit offiziell zum atomaren Endlager erklärt werden. Bislang hat die Asse den Status eines Forschungsbergwerks.

Doch viel ändern wird sich durch die Anwendung des Atomrechts nicht. Zumindest im Bereich der Sicherheitsstandards: So etwa sagt ein Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit: "Für die Sicherheit hat das keine unmittelbare Bedeutung." In diesem Bereich gelte im Bergrecht wie im Atomrecht folgende Regelung: "Maßstab ist der höchste Standard, den es weltweit gibt."

Was sich ändert, sind vor allem die Zuständigkeiten. Im Atomrecht ist der Bund weisungsbefugt gegenüber dem Land.

Mehr Mitspracherechte für Bürger

Immerhin aber erhalten die Bürger durch das Atomrecht mehr Mitspracherechte: So muss ein Erörterungstermin angesetzt werden, bei dem die Bürger ihre Einwände vorbringen und begründen können. Juristische Klagen können sich anschließen.

Konkret bekommen die Anwohner also das Recht, die Unterlagen einzusehen und sich zu Wort zu melden, wenn es in den nächsten Monaten und Jahren darum geht, wie der Atommüll in der Asse gesichert und das Bergwerk geschlossen wird.

Eine verbesserte Kommunikation erhofft sich auch das niedersächsische Umweltministerium. Denn an der hat es im Fall des Atommülllagers Asse II wohl ziemlich gemangelt. So hat das niedersächische Wirtschaftsministerium schon vor Wochen gegen Beamte der niedersächsischen Behörde für Landesbergbau ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil diese wichtige Informationen nicht weitergeleitet hätten. Eine Sprecherin des Umweltministerteriums bestätigt sueddeutsche.de entsprechende Medienberichte.

Dabei handle es sich um den Leiter des zuständigen Bergamtes der niedersächsischen Landesbergbehörde und einen Referenten, der unmittelbar mit der Aufsicht über die Atommülldeponie befasst gewesen sei. "Es ist eine Kette von Geschichten passiert, die nicht in Ordnung war", sagt Jutta Kremer-Heye, Pressesprecherin des Umweltministeriums.

Zu den Mitarbeitern des Betreibers Helmholtz-Zentrum sagte sie: "Sie haben ihre Arbeit im Großen und Ganzen ordentlich gemacht." Allerdings hätten sie die Öffentlichkeit nicht offensiv genug informiert.

Unterdessen hat sich auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig in den Fall eingeschaltet. Sie forderte den Bericht an, den das niedersächsische Umweltministerium über die Zustände in dem ehemaligen Versuchsendlager erstellt hat und ermittelt nun wegen Verstößten gegen das Umweltrecht.

Betreiber: "Prügelknaben der Kernenergiedebatte"

Der jüngste Bericht über den Zustand des Lagers hatte zahlreiche Mängel und Verfahrensverstöße aufgezeigt. In der Asse sind rund 130.000 Fässer mit mittel- und schwachradioaktivem Müll eingelagert. In den Salzstock fließt schon seit den sechziger Jahren Salzlauge ein, die die Stabilität des Lagers bedroht. Auch eine Gefahr für das Grundwasser wird nicht ausgeschlossen.

Der in die Kritik geratene Betreiber des Atommülllagers weist indes die Vorwürfe, die Mitarbeiter hätten gepfuscht und Sachen vertuscht, heftig von sich. Dies sei schlicht falsch."Wir haben nach Bergrecht gehandelt, wir haben nach Bergrecht geschlossen", betont Heinz-Jörg Haury, Pressesprecher des Helmholtz-Zentrum Münchens immer wieder. Man habe alle Regeln erfüllt.

"Wir waren der Prügelknabe der Kernenergiedebatte", sagt Haury. Gleichzeitig zeigte er sich aber auch erleichtert, dass bei der Übergabe der Verantwortung an das Bundesamt für Strahlenschutz das gesamte Personal übernommen werde: "Wir werden alles tun, um keine Zeitverzögerungen eintreten zu lassen."

Schavan hatte angekündigt, das bisher für die Asse zuständige Personal werde vollständig übernommen - es werde lediglich dem Strahlenschutz unterstellt. In dem stillgelegten Salzbergwerk bei Wolfenbüttel arbeiten knapp 200 Beschäftigte. Dazu kommen laut Helmholtz etwa 100 Mitarbeiter von Fremdfirmen.

Die Bundesforschungsministerin nahm zugleich ihrerseits das Helmholtz-Zentrum gegen Kritik in Schutz. "Fehleinschätzungen" habe es aber durch das Bergamt gegeben. Die Fraktionen von CDU und FDP im niedersächsischen Landtag erklärten dagegen, das Vertrauen in die Helmholtz-Gesellschaft sei "unwiderbringlich verloren".

Wie es weitergehen soll

Die Zuständigkeiten wechseln - ansonsten bleibt alles beim Alten. So scheint es zumindest. Selbst der Sprecher des Helmholtz-Zentrums konnte noch nicht sagen, was sich nun praktisch im Atommülllager Asse ändern wird. Darüber soll nun in den nächsten Tagen beraten werden. Am Freitag treffen sich in Hannover Vertreter des Bundes und des Landes mit den Behörden, um das weitere Vorgehen abzustimmen.

Bis Ende des Jahres soll ein Konzept für die Schließung erarbeitet werden. Im Gespräch ist etwa auch, die Strahlenabfälle ganz oder zum Teil aus dem Berg herauszuholen. Das wiederum sei sehr aufwändig, sagt der Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit - und aus seiner Sicht unangemessen. Von Kosten in Milliardenhöhe ist die Rede.

Nach dem momentanen Stand der Technik gebe es hierfür dem Sprecher zufolge mehrere Alternativen. Die radioaktive Lauge etwa könne man kontrolliert mit Hilfe von Folien auffangen, damit sie nicht ins Grundwasser gelange. Bundesumweltminister Gabriel hat bereits Gutachten zur Standortsicherheit des Bergwerks in Auftrag gegeben. Bis Ende dieses Jahres erwartet er Vorschläge für alternative Konzepte für die Schließung.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/AP/Reuters/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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