Marktschreier im Test - Teil III:Der grüne Frauen-Flüsterer

Lesezeit: 2 min

Joschka Fischer in München - fast ein Heimspiel.

Frederic Huwendiek und Sven Böll

I. Die Performance

8000 jubelten dem Vize-Kanzler auf dem Münchner Marienplatz zu - Buhrufe kamen von Unions-Anhängern. (Foto: Foto: AP)

Begrüßung: How to say hello

Claudia Roth sorgt im Vorfeld für ordentlich Stimmung, so dass Joschka Fischer nicht mehr viel für eine Jubel-Begrüßung tun muss. Er scheint sich aber wohl zu fühlen, obwohl ihn die Junge Union in den vorderen Reihen eher unfreundlich begrüßt. Passt schon. (3 Joschkas)

Inhalte: Wer rettet Deutschland?

Was auch immer Joschka Fischer und Gerhard Schröder trennen mag, die Themen ihrer Wahlkampf-Reden sind es definitv nicht. Der Außenminister doziert nicht nur über die großen Fragen dieser Welt (Krieg und Frieden, Energiepolitik), sondern lässt sich auch in die Niederungen der Innenpolitik herab (Kopfpauschale und Kirchhof zwischen Krankenschwester und Kirchenmusiker). Nur mit den Grünen wird es weiter gerecht zugehen, glaubt der amtierende Vize-Kanzler. Wenig Neues vom Menschenfischer! (2 Joschkas)

Entertainment: Wie kurzweilig ist die Rede?

Elf Minuten länger als bei Schröder reicht das Themenrepertoire von Fischer. Allerdings haben die "Überlänge" und die zahlreichen Wahlkampfauftritte auch ihren Preis: Der Außenminister ist verdammt heiser. Der etwas verwirrte Tourist aus Italien informiert sich aufgrund der Reibeisen-Stimme besorgt: "Who is that guy? Is he ill?" Aber Stimme hin, Stimme her: Joschka Fischer ist rhetorisch immer noch besser als die meisten Politiker zusammen. Entsprechend kommen seine teilweise launigen Ausführungen gut an. Auch seine Reaktionen auf die Zwischenrufer der Jungen Union führen zur Erheiterung des Publikums. Als eine CDU-Aktivistin ihm vorwirft, der Türkei-Beitritt überdehne die EU, kontert der Außenminister: "Das überdehnt eher Ihren Kopf." Rhetorische Reibeisen-Brillanz. (4 Joschkas)

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II. Das Drumherum

(Foto: N/A)

Zuhörer: Wer kommt freiwillig?

Ob schwarz-gelbe oder große Koalition - eines scheint nach dem derzeitigen Stand sehr wahrscheinlich: Joschka Fischer wird wohl nicht Außenminister bleiben. Die Aussicht, Fischer nochmal als Lenker der Außenpolitik zu erleben, scheint zu ziehen, insbesondere beim jungen Akademiker-Publikum unter 30. Besonders bemerkenswert ist die hohe Anzahl von Frauen unter den 8000 Zuhörern, obwohl Wahlkampfveranstaltungen der Grünen eigentlich nicht quotiert sind. Der Fahrrad fahrende Hausmann mit selbstgestricktem Baumwollpulli ist praktisch nicht vertreten. Um Zustimmung zu signalisieren, nutzt der Grünen-Sympathisant eher weniger die Hand, sondern bedient sich seiner Stimme. Fischer zieht bei Frauen unter 30 immer noch. (4 Joschkas)

Give Aways: Was kann man abgreifen?

Leider gibt es nur noch die Joschka-Zeitung und ein paar Flyer. Die überaus engagierte Grünen-Frau vom Infostand zählt aber auf Nachfrage bereitwillig und vollumfassend die Liste der lustigen Grünen-Goodies auf: "Wir hatten da eine Menge witzige Sachen." Da gab es also den Bierdeckel mit einem gehenden Guido Westerwelle und der Überschrift "Einer geht noch". Und Kondome mit der Aufforderung, Frau Merkel zu verhüten, waren auch mal vorhanden. Humor verhüten! (2 Joschkas)

Wetter: Wen favorisiert Petrus?

Als Joschka kommt, verziehen sich die Wolken. Die Dauer-Fröhlichkeit von Claudia Roth und die kritische Begutachtung von Jerzy Montag (der Drollige aus dem Visa-Untersuchungsausschuss) scheinen dazu beizutragen. Das dürfte an der ökologischen Steuerreform liegen! (3 Joschkas)

Gesamtwertung in der Kategorie "Drumherum"

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