Am 19. Februar wollte Jan Korte, Abgeordneter der Linken, von der Bundesregierung wissen, wie es zur Änderung des Transplantationsgesetzes kam. Das Gesetz ist ethisch umstritten, es soll die Zahl der Organspenden erhöhen. Korte fragte, welche externen Gutachten oder Studien dem Gesetzentwurf der Regierung zugrunde lägen und wie die ursprüngliche Fassung geändert wurde. Die Regierung sollte offenlegen, welche Kontakte es zwischen Politikern und Lobbyisten gab und wie diese den Text dann beeinflussten.
Am 5. März folgte die Antwort aus dem Gesundheitsministerium: Es sei nicht Aufgabe der Regierung, alle Stellungnahmen zusammenzutragen oder anschaulich aufzubereiten, die man sich einhole. Nicht alle Gespräche mit Externen würden offiziell erfasst, so seien die Daten "möglicherweise nicht vollständig". Offengelegt wurden dann nur Treffen auf höchster Ebene, zwischen Interessenvertretern und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) oder seinen beiden Parlamentarischen Staatssekretären im Gesundheitsministerium.
Beamte holen oft Expertisen ein, vom Gewerkschaftsbund über Greenpeace bis hin zu Kanzleien
Insgesamt hat Korte schon knapp 50 solcher Anfragen zu Gesetzentwürfen gestellt, auch zur Brückenteilzeit oder dem Emissionshandel. "Wir meinen, dass diese Informationen für das Parlament notwendig sind, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können", sagt er. Die Regierung müsse die Genese ihrer Gesetzentwürfe offenlegen, stattdessen erwecke sie oft den schlechten Eindruck, etwas verbergen zu wollen. Auch wenn sich Mitarbeiter in Ministerien mit Lobbyvertretern träfen, dürften solche Gespräche "auf Arbeitsebene" nicht geheim gehalten werden, schrieb Korte in einem Brief an Kanzleramtschef Helge Braun.
Seit November sind die Bundesministerien verpflichtet, Referentenentwürfe für Gesetze und die Stellungnahmen von Lobbyisten dazu zu veröffentlichen. Entwürfe sollten spätestens dann veröffentlicht werden, wenn sie vom Kabinett beschlossen werden. Das reiche allerdings nicht, beklagt Korte. Vielmehr müsse nachvollziehbar dokumentiert werden, was beispielsweise am Entwurf verändert wurde, nachdem sich ein Mitarbeiter im Ministerium mit einem Lobbyisten getroffen hat. Zwar ist der Austausch zwischen Interessengruppen und Politikern Teil des demokratischen Prozesses, denn auch Interessenverbände können Vorschläge einbringen. Da diese aber im Gegensatz zu den Abgeordneten nicht gewählt werden, fordern Nichtregierungsorganisationen, dass privilegierte Zugänge der Lobbyisten zur Regierung transparent gemacht werden.
Transparency Deutschland und die Plattform abgeordnetenwatch.de beklagen schon lange einen angeblichen Lobbyismus in Hinterzimmern. "Oft erfahren selbst Abgeordnete der Regierungsfraktionen später von Inhalten in den Arbeitsentwürfen als Lobbyisten, die in den Ministerien gut vernetzt sind", kritisiert auch Timo Lange vom Verein Lobbycontrol. Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, sagt, die Fraktionen von SPD und Union hätten jahrelang das Problem des "verdeckten" Lobbyismus und dessen negative Auswirkungen ignoriert. Auch der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner meint, die Regierung müsse "Abhängigkeitsverhältnisse" offenlegen. Nur die FDP-Fraktion will sich auf SZ-Anfrage derzeit nicht äußern.
"Mit ihrem Antwortverhalten demonstriert die Bundesregierung leider, wie dringend ein Lobbyregistergesetz nötig wäre, um Regierung und Lobbyisten zu Transparenz zu verpflichten", meint Korte. In einem solchen Register würden die Auftraggeber, das politische Ziel und das Budget der jeweiligen Lobbyvertreter dokumentiert werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund müsste sich dort genauso registrieren wie Greenpeace, der Bankenverband oder eine Anwaltskanzlei. Bislang gibt es nur ein freiwilliges Verzeichnis, ausschließlich für Verbände. Vorbilder für ein solches Instrument gebe es in Irland, Frankreich, Kanada und auch Brüssel, sagt Timo Lange von Lobbycontrol.
"Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich seit Jahren für die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters ein", sagt Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion. In den Koalitionsverhandlungen sei das noch am Widerstand der Union gescheitert. Im November kündigte die CDU / CSU-Fraktion dann überraschend an, Anfang 2019 einen eigenen Entwurf für ein Lobbyregister vorlegen zu wollen. Auf Nachfrage bleibt der parlamentarische Geschäftsführer Patrick Schnieder allerdings vage: Gegenwärtig sei man in Beratungen, allerdings müssten Bundesrat und Bundesregierung ihre Regelungen "selbst verantworten".
Ein Register, das die Lobbyarbeit gegenüber Parlament und Regierung erfasst, wie es die Linkspartei oder Lobbycontrol fordern, verhindert natürlich keine Einflussnahme, es kann sie allenfalls dokumentieren. "Sie erfassen, wer mit wie viel Geld in wessen Auftrag Einfluss nehmen möchte", sagt Timo Lange. Auf Länderebene gebe es solche Register bereits in Rheinland-Pfalz und Brandenburg. Thüringen geht noch weiter: Im Januar hat der Landtag das bislang stärkste Transparenzgesetz verabschiedet, künftig wird dort veröffentlicht, wer an der Erarbeitung von Gesetzentwürfen der Landesregierung beteiligt war. Dieser sogenannte legislative Fußabdruck dokumentiert zum Beispiel auch E-Mails an Mitarbeiter in den Ministerien. Allerdings - und so könnte das Gesetz wirkungslos bleiben - nur wenn der Lobbyist der Veröffentlichung zustimmt.