Lybischer Aids-Prozess:Todesurteil gegen Krankenschwestern aufgehoben

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Der Nervenkrieg ist zu Ende: Der Oberste Justizrat von Libyen hat die Todesstrafen der verurteilten fünf bulgarischen Krankenschwestern und eines Arztes in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Die können nun darauf hoffen, die Strafe in ihrer Heimat zu verbüßen.

Die sechs waren schuldig befunden worden, 438 Kinder mit dem Aids-Virus infiziert zu haben. Kurz vor der Entscheidung des Justizrats hatten die Familien der Opfer ihre Forderung nach der Todesstrafe fallenlassen. Dem waren Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe vorausgegangen.

Die Entscheidung des Justizrates könnte bedeuten, dass die Verurteilten ihre Strafe in ihrer Heimat verbüßen könnten, weil Libyen und Bulgarien in den 80er Jahren ein Auslieferungsabkommen geschlossen haben.

Die sechs Verurteilten sitzen seit 1999 in libyschen Gefängnissen. Nachdem der Oberste Gerichtshof die Todesurteile jüngst bestätigt hatte, reichten die sechs am Sonntag ein Gnadengesuch beim Justizrat ein.Der Rat wollte ursprünglich bereits am Montag entscheiden, vertagte den Beschluss aber mehrfach.

Die letzte Hoffnung

Der Sprecher der Opferfamilien, Idriss Lagha, sagte: "Wir haben die Forderung der Todesstrafe für die Krankenschwestern fallenlassen, nachdem alle unsere Bedingungen erfüllt wurden." Die Einwilligung der Familien galt als Voraussetzung für eine Aufhebung der Todesurteils durch den Obersten Justizrat.

Ein entsprechendes Dokument wurde Lagha zufolge an die Gaddafi-Stiftung weitergeleitet, die die Verhandlungen mit den Familien der Aids-infizierten Kinder geführt hatte. Die Stiftung wollte das Papier dem Obersten Justizrat übergeben. Der Rat, das höchste Justizgremium Libyens, war die letzte Hoffnung für die Verurteilten.

Aus informierten Kreisen hatte es am Montag geheißen, der Oberste Justizrat wolle vor seiner Entscheidung noch ein Dokument abwarten, in dem die Opferfamilien die Aufhebung der Todesstrafe im Gegenzug für Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe akzeptierten. Sprecher Lagha zufolge erhielten alle Familien inzwischen ihre Entschädigung. Nach Angaben der Gaddafi-Stiftung stammt das Geld aus einem Sonderfonds der Europäischen Union. Jedes Opfer sollte eine Million US-Dollar (rund 726.000 Euro) bekommen.

Die fünf Bulgarinnen arbeiteten bei ihrer Verhaftung 1999 teils schon seit Jahren in Libyen. Sie hatten ihre Heimat zumeist verlassen, weil sie in Libyen mehr Geld verdienten. Die Familie des Arztes palästinensischer Herkunft lebte ebenfalls seit langem in Libyen. Er erhielt kürzlich die bulgarische Staatsangehörigkeit. Die Verurteilten hatten wiederholt ihre Unschuld beteuert und geklagt, ihre Geständnisse seien unter Folter erzwungen worden.

Aids-Experten verwiesen darauf, die Kinder seien bereits vor Ankunft der sechs Verurteilten in dem Krankenhaus in Benghasi mit dem Aids-Virus infiziert gewesen.

© AFP/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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