Libyen:Kerker mit Hintertürchen

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Das Todesurteil gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt wurde bestätigt - vollstreckt wird es bestimmt nicht. Denn Libyen könnte sich eine solch dunkle Justiz-Farce nicht leisten.

Rudolph Chimelli

Nachdem Libyens oberstes Gericht das Todesurteil gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen Arzt bestätigt hat, ist der Fall endgültig zum Politikum geworden.

Die bulgarischen Krankenschwestern und der palästinensische Arzt werden seit acht Jahren in Libyen festgehalten. (Foto: Foto: dpa)

Jeder Verantwortliche im Lande weiß, dass eine Vollstreckung nicht in Frage kommt, weil Libyen sich eine solch finstere Justiz-Farce nicht leisten könnte, auch wenn die Weltöffentlichkeit das Schicksal der Opfer bisher mit dickfelliger Gelassenheit hingenommen hat.

Wer immer kann, macht Geschäfte mit Libyen, in der Rüstung, bei der sogenannten Zusammenarbeit gegen Terrorismus und Migration, in internationalen Organisationen.

Auch Menschenrechte lassen sich kaufen

Dass die amtliche libysche Nachrichtenagentur ausgerechnet am Tag der Verkündung des Richterspruchs melden konnte, US-Präsident George Bush habe dem Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi mitgeteilt, er wolle die Beziehungen zu Libyen ausbauen, war nicht als Satire gedacht.

Alles lässt sich kaufen oder verkaufen, auch die Menschenrechte. Über das Blutgeld für jene unglücklichen Kinder, die das Klinikpersonal angeblich vorsätzlich mit dem HIV-Virus infizierte, wurde lange gefeilscht.

Die 14 Millionen Dollar pro Kopf, welche der Elternverein forderte, schienen der EU anfänglich zu viel. Dann einigte man sich durch Vermittlung der Gaddafi-Stiftung am Ende doch. Welcher Libyer könnte auch Nein sagen, wenn ihm der Sohn Gaddafis gut zuredet?

Eine Überraschung war die Bestätigung des Todesurteils nicht. Dass die obersten Richter die unteren Instanzen desavouieren würden, war nicht zu erwarten. Denn das wäre dem Eingeständnis gleich gekommen, dass in libyschen Krankenhäusern schlampig gearbeitet wird, oder noch schlimmer: dass vieles faul ist im Staate Gaddafis.

Und welcher Libyer möchte so etwas zu den Akten geben? Der Fall ist nun in den Händen des Obersten Justizrates Libyens, der wiederum unter dem Vorsitz des Justizministers steht. Theoretisch kann der Justizrat das Urteil aufheben, er kann die Verurteilten begnadigen oder er kann die Todesstrafe in Haft umwandeln.

Gaddafi hungert nach internationaler Anerkennung

Das öffnet den Weg zur Heimkehr der fünf Krankenschwestern nach Bulgarien, damit sie gemäß einem Auslieferungsabkommen ihre Strafe pro forma in der Heimat verbüßen können. Auch der ursprünglich palästinensische Arzt hat inzwischen die bulgarische Staatsangehörigkeit erhalten, damit er in den Genuss dieser Regelung gelangen kann.

Die Eltern der Kinder haben einer gütlichen Regelung zugestimmt. Gaddafi junior wünscht sie. Da wird es der Revolutionsführer selber, dem an nichts so sehr gelegen ist wie an internationaler Anerkennung, wohl auch wünschen.

Welcher Libyer möchte da Spielverderber sein? So könnte man von einem guten Ende sprechen, wenn eine so abgedroschene Phrase nach acht Jahren unschuldiger Haft und Todesangst in libyschen Gefängnissen noch erlaubt ist. Und wenn nicht die infizierten Kinder wären, von denen 56 schon gestorben sind.

(SZ vom 12.6.2007)

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