Libyen-Affäre:Ein Bundeswehrangehöriger beteiligt

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An der unerlaubten Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte war laut Bundesregierung ein aktiver Angehöriger der Bundeswehr beteiligt. Politiker aller Parteien fordern eine rasche Aufklärung der Affäre.

An den umstrittenen Ausbildungseinsätzen deutscher Sicherheitskräfte in Libyen war ein aktiver Bundeswehrangehöriger beteiligt. Das teilte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin mit und betonte gleichzeitig, dass darüber hinaus keine aktiven Polizisten und Soldaten beteiligt gewesen seinen.

Umstrittener Einsatz: Deutsche Sicherheitskräfte haben in Libyen Ausbildungshilfe geleistet. (Foto: Foto: ddp)

"Nach heutigem Kenntnisstand haben sich keine aktiven Bundesbeamten oder Soldaten an der Vermittlung oder Durchführung von Schulungsmaßnahmen in Libyen beteiligt - mit Ausnahme eines Sonderfalls im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung, der einer disziplinarischen Würdigung zugeleitet wurde", sagte Wilhelm.

Dabei dürfte es Medienberichten zufolge um einen Feldwebel gehen, der Personenschützer von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan war und der unmittelbar nach Bekanntwerden der Ermittlungen im Jahr 2006 von der Aufgabe freigestellt worden war. Darüber hinaus war spekuliert worden, dass auch aktive Soldaten und Polizisten 2005/2006 in ihrem Urlaub an den Schulungsprogrammen einer privaten Sicherheitsfirma in Libyen teilgenommen hatten.

Wilhelm versicherte: "Zu keinem Zeitpunkt waren Bundesressort oder Bundesbehörden am Zustandekommen oder Durchführung von Schulungsmaßnahmen der Polizei in Libyen beteiligt." Es sei Staatspraxis, vom Staat initiierte Schulungsmaßnahmen auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit ausschließlich von staatlichen Institutionen durchführen zu lassen.

Unabhängig davon gebe es mit Libyen natürlich Kontakte und Gespräche, bei denen es auch um die künftige Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden beider Länder gehe. Konkret rede man dabei über die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Organisierten Kriminalität wie Rauschgiftkriminalität und Menschenschmuggel.

Rückhaltlose Aufklärung gefordert

In der Affäre um die unerlaubte Ausbildung libyscher Einheiten durch deutsche Spezialkräfte verlangen unterdessen Politiker aller Parteien Aufklärung. "Wenn die offenen Fragen nicht rückhaltlos im Parlamentarischen Kontrollgremium geklärt werden, muss man sich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses offen halten", sagte der Vize-Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, der Bild.

Er habe verlangt, dass das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags über eine etwaige Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes informiert werde, sagte der FDP-Innenexperte Max Stadler in der Passauer Neuen Presse . "Wenn es Hinweise gibt, dass die gesamten Vorgänge mit Billigung der gesamten früheren rot-grünen Bundesregierung stattgefunden haben, ist das eine Sache für das ganze Parlament."

Es sei nötig, dass die "Vorwürfe, die in der Öffentlichkeit kursieren, schnell und umfassend geklärt werden", sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Eckart von Klaeden, der taz.

Oppositionspolitiker bezweifelten die Aussagen des Bundesnachrichtendienstes (BND), von der Aktion keine Kennntnis gehabt zu haben. "Es würde nicht für die Effizienz und Leistungsfähigkeit des Dienstes sprechen, wenn dem BND die Aktivitäten der deutschen Polizisten in Libyen verborgen geblieben wären", sagte Wolfgang Neskovic (Linke) der Berliner Zeitung. Zudem könne er sich nur schwer vorstellen, dass eine sicherheitspolitisch so heikle Kooperation hinter dem Rücken des BND abläuft.

"Keine Gegenleistung für Geisel-Freilassung"

"Was wäre das denn sonst für ein Geheimdienst", sagte der Grünen-Politiker Ströbele dem Blatt. "Wenn der BND aber Bescheid wusste, dann müssen wir nachfragen, ob und wann die Bundesregierung darüber in Kenntnis gesetzt worden ist."

Der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, bestritt im Tagesspiegel, dass die Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte eine Gegenleistung für die Befreiung der Familie Wallert auf der philippinischen Insel Jolo im Jahr 2000 war. Im Zusammenhang mit der Freilassung der deutschen Geiseln seien ihm gegenüber nie Wünsche nach einer deutschen Ausbildungshilfe geäußert worden.

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ingo Wolf (FDP), lässt derweil nach Informationen des Westfalen-Blattes jetzt die Urlaubsanträge aller nordrhein-westfälischen SEK-Beamten der vergangenen Jahre überprüfen. Man wolle feststellen, ob es auffallend lange Urlaube gegeben habe und die betreffenden Beamten dann nach dem Grund befragen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Ministeriumskreise. Bei den Spezialeinheiten in NRW sind annähernd 700 Beamte beschäftigt.

"Keine aktiven Beamten"

Der damalige Geschäftsführer der BDB Protection GmbH, die zwischen Dezember 2005 und Juni 2006 Schulungen libyscher Sicherheitskräfte in Tripolis organisiert hatte, sagte dem Blatt, sein Unternehmen habe nur ehemalige Beamte beschäftigt. Er habe zwar aktive SEK-Beamte angesprochen, die sich auch vor Ort in Tripolis über das Ausbildungsprogramm informiert hätten, "aber geschult hat von denen niemand".

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gehen nach Angaben des früheren BDB-Geschäftsführers auf die Anzeige eines Ex-Polizisten zurück, der den Anforderungen in Tripolis nicht gewachsen gewesen sein soll: "Wir brauchten damals innerhalb kurzer Zeit viele Ausbilder in Libyen. Da hatten wir nicht die Möglichkeit, schon in Deutschland jeden Bewerber auf Herz und Nieren zu prüfen."

Erst in Tripolis habe sich gezeigt, dass einige frühere Polizisten nicht den Erwartungen entsprochen hätten. "Einige mussten zurück nach Deutschland. Darunter auch der Beamte, der im vergangenen Jahr seine Ex-Kollegen beim LKA angezeigt hatte."

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