Libanon:Versehentlicher Terror?

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Der Tod von vier UN-Blauhelmsoldaten war ein Unfall - sagt Israels Regierung. Aber die Bombardierung eines UN-Stützpunktes, der Einsatz von Streubomben und der Tod von mittlerweile fast 400 Zivilisten belegen, wie ungezielt die israelische Luftwaffe im Südlibanon vorgeht.

Markus C. Schulte v. Drach

Die israelische Armee kämpft im Südlibanon nicht nur gegen vereinzelte Gruppen von Hisbollah-Kämpfern, die gelegentlich Katjuscha-Raketen in Richtung Israel abfeuern. Das machen die schweren Gefechte deutlich, die sich die israelischen Soldaten mit den schiitischen Milizen bei Bint Dschbail liefern.

Seit vier Tagen kämpfen die Israelis dort, schicken Panzer und Truppen in den Libanon, holen verletzte und erschöpfte Soldaten zurück, senden neue über die Grenze - und nehmen die Stadt zwei Kilometer jenseits der Grenze unter Artillerie-Feuer. Getötete Hisbollah-Kämpfer werden inzwischen - in Plastiksäcke verpackt - zusammen mit erbeuteten Waffen den Medien präsentiert.

Doch andernorts im Süden des Landes gehen die Luftangriffe weiter - und von gezielten oder gar "chirurgischen" Angriffen auf Hisbollah-Kämpfer und ihre Stützpunkte kann offenbar keine Rede sein.

Was dort wirklich vor sich geht, wissen nur das israelische Militär, die schiitischen Milizen und die Flüchtlinge, denen es gelungen ist, lebend aus den Dörfern zu entkommen.

Was Letztere berichten, deutet darauf, dass die Israelis auf alles schießen, was auf den Straßen unterwegs ist. Dazu gehören auch Flüchtlingskonvois und Ambulanzen, die nach Augenzeugenberichten sogar gezielt beschossen wurden.

Keine Rücksicht auf Zivilisten

Bei den Versuchen, Hisbollah-Stellungen anzugreifen, wird demnach auf Zivilisten keine Rücksicht genommen.

Das beweist auch der Einsatz von Clusterbomben, den die Organisation Human Rights Watch den Israelis vorgeworfen und den die Armee bereits eingestanden und gerechtfertigt hat mit dem Hinweis, diese Waffen seien nach internationalem Recht legal.

Wie ungezielt die Armee vorgeht, wird aber auch die Bombardierung des UN-Postens in der Nähe der Stadt Khiam belegt.

Sogar wenn man den Vorwürfen des UN-Generals Kofi Annan, der Angriff habe "offensichtlich absichtlich" und "koordiniert" stattgefunden, nicht folgen will, muss man davon ausgehen, dass die Armee den Tod der vier UNIFIL-Angehörigen aus Österreich, China, Kanada und Finnland schlicht in Kauf genommen hat.

Die Lage des Postens war den Israelis bekannt und deutlich markiert. Trotzdem war der Stützpunkt offenbar mehrfach unter Feuer geraten, die Blauhelm-Soldaten starben bei einem Bombentreffer auf ihren Betonbunker.

Man kann Israels Ministerpräsidenten Ehud Olmert und seinem UN-Botschafter Dan Gillerman glauben, die sagen, die UN-Soldaten seien versehentlich angegriffen.

Damit aber gibt die israelische Regierung selbst zu, dass die Bombardierungen, denen inzwischen etwa 400 Zivilisten und insgesamt zwölf Blauhelme im Libanon zum Opfer gefallen sind, alles andere als gezielt stattfinden.

Die israelische Außenministerin hatte auf internationale Kritik am Vorgehen der Armee kürzlich mit der Erklärung reagiert, es bestehe ein großer Unterschied zwischen Terroristen, die gezielt Zivilisten töten, und "Fehlern und Unfällen" der Armee.

Der Unterschied ist da. Aber er wird kleiner, wenn die Armee solche "Fehler und Unfälle" billigend in Kauf nimmt.

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