Libanon-Einsatz:Der Marschbefehl lässt auf sich warten

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Der Bundestag wird voraussichtlich erst in der kommenden Woche über den deutschen Militär-Einsatz im Nahen Osten entscheiden. Die libanesische Regierung hat zwar beschlossen, bei den Vereinten Nationen um internationale Streitkräfte zur Grenzsicherung im Mittelmeer zu bitten. Allerdings stellte Beirut dafür Bedingungen, weshalb die offizielle Truppenanforderung bis Dienstagabend noch immer nicht bei den Vereinten Nationen in New York eingetroffen war.

Nico Fried

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von "positiven Signalen" aus dem Libanon. Zugleich stellte er mit Blick auf den noch ausstehenden Brief der Regierung in Beirut, mit dem die Truppen bei den Vereinten Nationen angefordert werden müssen, klar: "Wir wollen das Schreiben mit der Anfrage der libanesischen Regierung sehen, und dann kann man darüber entscheiden." Es komme darauf an, dass die Anforderung mit dem übereinstimme, was in der UN-Resolution 1701 zur Stabilisierung der Situation im Libanon vorgesehen sei.

Italienische Soldaten sind bereits im Libanon eingetroffen (Foto: Foto: dpa)

Steinmeier versicherte, die Bundesregierung entscheide, sobald die Voraussetzungen gegeben seien. Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagte, möglicherweise könnte bei der für Dienstagabend geplanten Truppenstellerkonferenz in New York eine Entscheidung getroffen werden. Selbst in diesem Fall gilt es jedoch als unwahrscheinlich, dass der Bundestag noch in dieser Woche abschließend über den Einsatz befinden wird. Zuvor müsste das Bundeskabinett entscheiden. Bis Dienstagabend war jedoch auch dafür noch kein Termin festgesetzt worden.

Lösung für Streit um Luft- und Seeblockade in Sicht

Das libanesische Kabinett hatte am Montagabend den Grundsatzbeschluss gefasst, eine Bitte an die UN-Friedenstruppe Unifil vorzubereiten, bei der Überwachung der Seegrenze mitzuwirken. Sie werde aber erst weitergeleitet, wenn die israelische Seeblockade aufgehoben sei, hieß es in Agenturberichten aus Beirut. Ministerpräsident Fuad Siniora hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch am Montagabend über den Beschluss unterrichtet, wie in Berliner Regierungskreisen bestätigt wurde.

Für den Streit um die Luft- und Seeblockade könnte in Kürze eine Lösung gefunden werden: UN-Generalsekretär Kofi Annan teilte mit, er habe im Auftrag des Libanon Frankreichs Staatschef Jacques Chirac gebeten zu prüfen, ob Frankreich, Griechenland und Italien gemeinsam vorübergehend die Überwachung der libanesischen Seegrenzen übernehmen könnten. Damit solle der Zeitraum bis zum Eintreffen der Schiffe aus Deutschland und weiteren Staaten überbrückt werden, die Kräfte zur seeseitigen Grenzsicherung angeboten haben.

Innenpolitischer Streit im Libanon

Bei einer Zusage Frankreichs könnte Israels umstrittene Luft- und Seeblockade gegen den Libanon "innerhalb von 48 Stunden" aufgehoben werden, sagte Annan der Zeitung Le Monde. Chirac habe "im Prinzip" eine positive Antwort gegeben, teilte das Präsidialamt am Dienstag in Paris mit. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist ein Zug-um-Zug-Verfahren vorgesehen, wonach Israel zunächst die Blockade des Luftverkehrs aufhebt, der Libanon dann die Anforderung für die seeseitige Grenzsicherung abschickt und anschließend Israel wiederum den Weg für die Übergangslösung auf See freimacht. In Berlin wurde angedeutet, dass die sich abzeichnende Lösung mit der israelischen und der amerikanischen Regierung abgestimmt sei: "Für beide kommt dieser Vorschlag nicht überraschend", hieß es in Regierungskreisen.

Die Entscheidung der libanesischen Regierung über die Truppenanforderung wird allerdings noch immer von innenpolitischem Streit in Beirut begleitet. Die Mehrheit des Kabinetts setzte sich mit dem Beschluss offenbar über Einwände der beiden Minister hinweg, die der Hisbollah angehören. Ein Vertreter der Miliz äußerte sich anschließend skeptisch zum Einsatz der deutschen Marine. Hussein Hadsch Hassan, der als Abgeordneter für die Hisbollah im Parlament sitzt, sagte der Deutschen Presseagentur: "Unsere Bedenken betreffen die deutsche Forderung, Boote zu durchsuchen, die den Libanon ansteuern, (...) denn diese Forderung beeinträchtigt die Souveränität des Libanon." Der Bundesregierung warf der Abgeordnete außerdem vor, sie vertrete einseitig die Interessen Israels in der Region.

© SZ vom 6.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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