Land der Papst-Fans:Generation "JPII"

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Die Verehrung für Karol Wojtyla, dessen Namen die jungen Leute liebevoll abkürzen, kennt in Polen keine Grenzen.

Von Thomas Urban

Bei den Pilgerfahrten in seine Heimat wurde Johannes Paul II. immer wieder von eifrigen Stadtvätern gebeten, Denkmäler zu enthüllen oder gar einzuweihen, die ihn selbst darstellten.

Der Vatikansprecher wies derartiges Ansinnen immer zurück, einmal sagte er sogar drastisch: "Der Heilige Vater weist darauf hin, dass bislang nur ägyptische Pharaonen und kommunistische Generalsekretäre zu Lebzeiten Denkmäler bekamen."

Dennoch wurden in Polen an nahezu jedem Ort, den er besucht hatte, meist überlebensgroße Monumente errichtet, insgesamt 230 Stück.

Nachfrage kaum zu bewältigen

Seit dem Tod Johannes Pauls II. aber kann das Dutzend der auf Bronze-, Marmor- und Granitskulpturen spezialisierten Betriebe in Polen die Nachfrage kaum bewältigen.

Ein Künstler gab bereits zu, dass manche Gussformen mehrfach verwendet würden - mit nur geringfügigen Änderungen. Die Gemeinden, deren Etats beim besten Willen keine Mittel für etwas Repräsentatives hergeben, begnügen sich mit der Umbenennung einer Schule oder wenigstens einer Straße zu seinen Ehren.

Gute Umsätze verzeichnen auch die Buchverlage, die Papst-Alben im Programm haben. Und die Andenkenindustrie wirft von der Papstkerze bis zum vollständigen Papst-Kaffeeservice allen möglichen Kitsch auf den Markt, sodass die Bischöfe in einem Hirtenbrief bereits vor diesem "oberflächlichen Gedenken" warnten: "Vielmehr müssen die Menschen die Lehren des Heiligen Vaters verinnerlichen und im Geiste des Aprils weiterleben."

Als der Papst Anfang April starb, wurde das ganze Land in der Tat von einer großen Welle des kollektiven Schmerzes sowie der allgemeinen Solidarität erfasst.

In den großen Städten trafen sich Zehntausende zum abendlichen Gebet, spontan bildeten sich Aktionen zur Hilfe für Arme, Kranke, Einsame. Spektakuläre Versöhnungsfeiern zwischen verfeindeten Fußballfans und Politikern machten Schlagzeilen.

Diese Stimmung schlug sich auch in den Polizeistatistiken nieder: Im April registrierten sie weniger Verbrechen als in den vergangenen Jahren, auch die Zahl der Verkehrsunfälle, die auf aggressives Fahren zurückzuführen sind, ging deutlich zurück.

Fast die gesamte Presse hatte im Frühjahr sechs Wochen lang ohne Unterbrechung auf den Titelseiten über das lange Sterben Johannes Paul II., dann über die Trauer und die Feierlichkeiten nach seinem Tod, schließlich über die Wahl Joseph Ratzingers, "des besten Freundes unseres Heiligen Vaters", berichtet. Das Boulevardblatt Fakt verzichtete in dieser Zeit sogar auf das tägliche barbusige Pin-Up-Girl und Sexstories.

Doch ewig konnte das ganze Land nicht in frommer Andacht verharren. Anfang Mai kehrte Polen zur Normalität zurück, der Beleg: das halbnackte Mädchen von Fakt war wieder da.

"Größte Pole der Geschichte"

Ob das kollektive Erlebnis der Trauer über den "größten Polen der Geschichte", wie eine Umfrage der liberalen Polityka schon vor fünf Jahren ergab, die Gesellschaft wirklich solidarischer werden ließ, darüber wird man erst in ein paar Jahren Aufschluss erhalten.

Dann wird sich zeigen, ob es die neue "Generation JPII", die auch die Polen ganz trendy "Dschei-Pi-Two" aussprechen, überhaupt gibt. Gemeint ist damit jene Generation, die nicht materialistisch ausgerichtet sein wird, die aber auch enges nationalistisches Denken hinter sich lässt.

Einstweilen können die Polen, wie die liberale katholische Wochenzeitung Tygodnik Powszechny befand, stolz darauf sein, dass ihr Landsmann im Vatikan die entscheidenden Anstöße zum Zusammenbruch des Ostblocks und zur Rückkehr der einstigen Sowjetsatelliten nach Europa gegeben hat.

© SZ vom 28.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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