Lafontaine rechnet ab:"Diese SPD ist nur noch Hülle"

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Der ehemalige Partei-Vorsitzende erklärt, warum er der WASG beitritt, wie er mit Gregor Gysi zusammenarbeiten will und was er von Gerhard Schröder hält.

Interview von Heribert Prantl

SZ: Vor ein paar Jahren sind Sie in einem Interview gefragt worden: "Es gibt Genossen, die sehen Sie bei der PDS." Damals haben Sie geantwortet: "Jetzt werden Sie albern." Sie wollen nun auf einer offenen Liste der PDS kandidieren. Sind Sie selber albern geworden?

Ganz schön links: Der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, bald Mitglied der WASG. (Foto: Foto: ddp)

Lafontaine: Wir sind einige Jahre weiter und in einer völlig neuen Situation. Wir haben im Bundestag nur noch Hartz IV- und Agenda 2010-Parteien. Die mit diesen technokratischen Chiffren verbundene Politik wird von den meisten Leuten abgelehnt.

In dieser Lage muss man versuchen, eine neue Politik anzubieten. Die PDS hat sich, 16 Jahre nach dem Fall der Mauer, gewandelt. Es wird jetzt eine neue Linke entstehen, die der Politik der All-Parteien-Koalitionen einen Gegenentwurf gegenüberstellt. Daran möchte ich mitwirken.

SZ: Noch ein alter Lafontaine-Satz: "Die PDS ist alles andere als eine linke Partei. Mit der Freiheit verbindet man die PDS wirklich nicht." Und nun ist die PDS der Inbegriff der Freiheit?

Lafontaine: Das neue Programm der PDS nimmt wesentliche Elemente aus sozialdemokratischer Programmatik auf: Unter anderem das Bekenntnis zu Demokratie und Marktwirtschaft, zu freiem Unternehmertum und zu Gewinnen.

SZ: Die PDS bekennt sich weiterhin zum "gesellschaftlichen Endziel des Sozialismus". Tun Sie das auch?

Lafontaine: Wer die soziale Marktwirtschaft will, muss den blanken Kapitalismus überwinden. Ich glaube im Übrigen, dass der Diskussionsprozess der vergangenen 15 Jahre auch den Mitgliedern der PDS eine doppelte Einsicht vermittelt hat.

Erstens: Der Kapitalismus macht den Fehler, den Menschen der Wirtschaft unterzuordnen. Zweitens: Kommunismus und Stalinismus haben den Fehler gemacht, den Menschen der Partei und dem Staat unterzuordnen. Wir brauchen aber eine Gesellschaftsordnung, in der der Mensch weder der Wirtschaft noch einer Partei noch dem Staat unterworfen wird. Das ist das Ziel des demokratischen Sozialismus.

SZ: Werden Sie demnächst der WASG beitreten?

Lafontaine: Ja.

SZ: Sie haben die Wandlung der PDS beschrieben. Haben Sie sich gewandelt?

Lafontaine: Wer sich nicht ändert, der bleibt sich nicht treu.

SZ: Ihr Herz schlägt, so bekennen Sie in einem Buchtitel, links. Haben Sie nicht eher ein sprunghaftes Wanderherz?

Lafontaine: Ich stehe zu meinen Überzeugungen.

SZ: Sie haben viel früher für die Abschaffung des Asylrechts plädiert als Schröder. Und in der Sozial- und Wirtschaftspolitik haben Sie längere Maschinenlaufzeiten gefordert und Arbeitszeitverkürzungen ohne vollen Lohnausgleich. Sie sind dafür von der Wirtschaft gelobt worden wie Schröder für die Agenda 2010. War das der falsche Lafontaine?

Lafontaine: Ich habe für eine Änderung des Asylrechts und für eine Begrenzung der Zuwanderung plädiert, weil ich die Arbeits- und Lebenswelt der Arbeitnehmer berücksichtige. Ein linker Politikentwurf muss sich auf die Grundwerte Freiheit und Solidarität beziehen. Für die Arbeitswelt heißt das: Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich kann eine Möglichkeit sein, Menschen die keine Arbeit haben, zu einem Arbeitsplatz zu verhelfen. Dies vertrete ich heute noch.

SZ: Aber nicht besonders laut.

Lafontaine: Das Thema bleibt auf der Tagesordnung, siehe VW, Telekom und die Vereinbarung von Verdi mit dem Land Berlin. Und wenn ich einer Samstags- und Sonntagsarbeit zustimme, dann nur bei Zustimmung der Belegschaft und der Betroffenen unter besonderer Berücksichtigung der familiären Situation.

Es gab Arbeitszeitmodelle in Europa, bei denen auch Familienväter nur am Wochenende gearbeitet haben und die ganze Woche frei hatten. Das muss man dann den Einzelnen überlassen, wie sie ihr Leben gestalten wollen.

SZ: Wenn links all das ist, was Arbeitsplätze stabilisiert oder Arbeit schafft, dann ist womöglich auch die FDP links.

Lafontaine: Die FDP ist nicht für eine Arbeitszeitsverkürzung, sondern für eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich. Und sie ist gegen die Mitbestimmung. Was Arbeitsplätze schafft, entscheidet letztendlich das Ergebnis der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Und hier ist die Politik der Regierung Kohl mit CDU/CSU und FDP ebenso gescheitert wie die Politik der Regierung Schröder. Warum?

Man setzte auf Lohnkürzung, Rentenkürzung, Kürzung sozialer Leistungen, Unternehmenssteuersenkung und Steuersenkung für Wohlhabende. Dieses Paket ist ein Programm zur Abschleifung der Binnennachfrage und zum Aufbau der Arbeitslosigkeit.

SZ: Eine Politik, die einfach das Gegenteil all dessen macht, ist links?

Lafontaine: Man kann es so sagen, denn die im Bundestag vertretenen Parteien haben alle die Politik der Wirtschaftsverbände übernommen. Vergessen ist die Erkenntnis des Adam Smith: Wir brauchen die Kapitalisten, aber ihre Interessen decken sich niemals mit den Interessen der Allgemeinheit; und sie sind stets darauf aus, die Öffentlichkeit zu täuschen.

SZ: Zurück zur neuen Linkspartei. Neue Parteien ziehen Sektierer an. Glauben Sie, dass man mit einer Neugründung vernünftig Politik machen kann?

Lafontaine: Ja. Die Situation ist ähnlich wie damals, als die Grünen entstanden. Die etablierten Parteien kümmerten sich nicht um die Ökologie. Heute gibt es wieder eine solche Blindheit der Bundestags-Parteien. Alle haben neoliberale Programme, alle machen die Politik der Wirtschaftsverbände. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die neue Partei, wenn sie zustande kommt, bei der Bundestagswahl drittstärkste Kraft wird.

SZ: Damals hatten die etablierten Parteien kein Gespür für Ökologie. Jetzt scheint aber deren Gespür für das Soziale, das früher schon zum Kern von Union und SPD gehörte, wieder zu erwachen.

Lafontaine: Aber es glaubt den Hartz-IV-Parteien niemand mehr. Zu oft wurde den Bürgern, nicht nur von der Regierung Schröder, vor der Wahl etwas versprochen, und nach der Wahl wurde das glatte Gegenteil gemacht.

SZ: Und warum sollen die Bürger Lafontaine glauben?

Lafontaine: Weil ich es ernst meine und ich deswegen von meinen Ämtern zurückgetreten bin. Weil es nicht mehr so weiter geht. Der Wahlbetrug ist zur Konstante der Politik geworden. Deshalb ist es doch nur lächerlich, wenn jetzt SPD und CDU höhere Lohnabschlüsse fordern. Seit Jahren predigen die eine Politik der Lohnzurückhaltung. In den letzten zehn Jahren sind die Reallöhne daher in Deutschland um 0,9 Prozent zurückgegangen, in der EU um 7,4 Prozent gestiegen, in den Niederlanden um 11,9, in Großbritannien um 25,2 Prozent.

SZ: Ist die WASG der Esel, der Lafontaine zurück in den Bundestag trägt?

Lafontaine: WASG und PDS sind Parteien, deren Mitglieder und Programme ich ernst nehme. Sie versuchen, eine neue linke Partei zu gründen und linke Politik zu machen. Ich möchte dabei mitwirken.

SZ: Sie sind Physiker wie Angela Merkel. Sie waren einmal der James Watt der SPD - einer, der die sozialdemokratische Dampfmaschine in Schwung brachte. Haben Sie tatsächlich Lust und Kraft, das nun für die neue Partei zu machen?

Lafontaine: Jedenfalls möchte ich als Kind einer Kriegerwitwe dafür sorgen, dass die Arbeitslosen, die Rentner, die Arbeitnehmer in Deutschland ordentlich behandelt werden. Im Übrigen ist es schon erstaunlich, in welchem Umfang das bloße Auftauchen der neuen linken Partei die Politik in Deutschland bereits beeinflusst - siehe die plötzliche Befürwortung von Lohnerhöhungen durch Merkel und Schröder. Innerhalb weniger Wochen ein Salto mortale.

SZ: Wollen Sie Oppositionschef werden im Bundestag?

Lafontaine: Wenn es mir gelingt, ein Bundestagsmandat zu erreichen, dann werden wir uns die Oppositionsarbeit teilen. So zeichnet sich das ab.

SZ: Mit Gysi?

Lafontaine: Ja, mit Gysi und anderen. Da läuft im Moment eine karnevalsreife Veranstaltung: Man wirft Gysi und mir vor, wir machten Politik nur, um unsere Eitelkeit zu befriedigen.

SZ: Das ist ja nicht falsch.

Lafontaine: Gysi und ich bewundern jeden Tag die uneitlen Figuren Schröder und Fischer, Merkel und Westerwelle und schämen uns, dass wir dieses Maß an Bescheidenheit nicht erreichen können.

SZ: Die haben nicht ihre Ämter aufgegeben und die Brocken hingeworfen.

Lafontaine: Tusch! Ich habe 25 Jahre öffentliche Ämter bekleidet und habe mich vielen Wahlen gestellt. Keine der Führungsfiguren von heute hat solche Zeit in öffentlichen Ämtern vorzuweisen. Ich bin nicht aus Bequemlichkeit zurückgetreten, sondern weil ich sonst meine Überzeugungen verraten hätte.

Die Kultur des politischen Rücktritts ist in Deutschland verloren gegangen. Viele, die eigentlich hätten zurücktreten müssen, zogen sich auf die doppelzüngige Formel zurück, sie blieben in der Verantwortung. In Wirklichkeit verweigerten sie die Verantwortung für ihre Fehler.

SZ: Wollen Sie damit wirklich sagen, dass Ihr Rücktritt von allen Ämtern ein Akt der politischen Kultur war?

Lafontaine: Ja, er war die Konsequenz daraus, dass ich den Politikwechsel Schröders nicht mittragen konnte. Ich war nicht bereit, einen Wahlbetrug nach dem anderen zu begehen.

SZ: Vielleicht haben Sie jene betrogen, die an Sie geglaubt haben. Tat es Ihnen nie leid, das Amt, das August Bebel, Kurt Schumacher und Willy Brandt innehatten, so weggeworfen zu haben?

Lafontaine: Selbstverständlich habe ich mich immer wieder mit dieser Entscheidung gequält, habe sie auch bedauert. Aber ich sah damals als Parteichef keine Möglichkeit mehr, im Sinne der großen Vorgänger zu agieren, die Sie eben genannt haben.

SZ: Sie haben einmal geschrieben, Sie hätten die Folgen Ihres Rücktritts für die SPD nicht richtig kalkuliert, und dafür entschuldigten Sie sich.

Lafontaine: Ja. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die SPD sich von einer Partei der sozialen Gerechtigkeit zu einer Hartz IV- und Agenda 2010-Partei entwickelt, die auch noch stolz darauf ist, sich an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen zu beteiligen.

SZ: Schröder und Fischer haben Deutschland am Kosovo-Krieg beteiligt, um zu zeigen, dass Rot-Grün Verantwortung tragen kann.

Lafontaine: Eine Verletzung des Völkerrechts ist und bleibt unverantwortlich. Das Töten von unschuldigen Menschen im ehemaligen Jugoslawien und in Afghanistan ist kein Kollateralschaden. An Kriegen, in denen Dörfer und Städte rücksichtslos bombardiert werden, darf sich Deutschland nicht beteiligen.

SZ: Sie haben doch die von Ihnen beklagte Entwicklung der SPD mit zu verantworten, weil Sie gegangen sind.

Lafontaine: So argumentieren viele in der SPD. Es ist auch ein Versuch, von der eigenen Verantwortung abzulenken. Demokratische Parteien können die Verantwortung für ihre programmatische Entwicklung nicht bei einem Einzelnen festmachen, bei aller Bedeutung, die ein Vorsitzender für eine Partei hat.

SZ: Seit ihrem Rücktritt heißt es, Lafontaine habe kein Ehr- und Pflichtbewusstsein. Gehört das zu den von Ihnen verachteten Sekundärtugenden?

Lafontaine: Ich habe in meinen Ämtern bewiesen, dass es ohne Sekundärtugenden nicht geht. Als Ministerpräsident und Parteivorsitzender hatte ich einen 15-Stunden-Tag, habe täglich Fleiß, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit praktiziert. Aber bis zum heutigen Tag haben viele Deutsche nicht verstanden, dass diese Sekundärtugenden in jedem System eingesetzt werden können. Man kann bei guten und bei bösen Taten fleißig, zuverlässig und pünktlich sein.

SZ: Nach Ihrem Rücktritt war Ihre Tugend vor allem die des Beleidigtseins.

Lafontaine: Nein. Ich war vor allem entsetzt über die Entwicklung der SPD.

SZ: Ist der Vorwurf der gekränkten Eitelkeit also völlig falsch?

Lafontaine: Ich würde nie bestreiten, dass ich eitel bin. Und ich würde nie bestreiten, dass man mich auch kränken kann. Aber ich frage mich nach dem Grad der Selbsterkenntnis derjenigen, die einem anderen Eitelkeit und Verletzlichkeit vorwerfen.

SZ: Die Zeit vom 16. März 1995 bis zum 11. März 1999, vom Parteitag in Mannheim bis zur Flucht aus Berlin - was bedeutet diese Zeit für Sie heute?

Lafontaine: Ich wehre mich gegen das Wort Flucht. Als Schröder vom Parteivorsitz zurückgetreten ist, hat niemand das Wort Flucht benutzt. Ein Rücktritt ist ein Rücktritt. Auf meine Arbeit als Parteivorsitzender blicke ich gern zurück. Es gelang damals, die SPD programmatisch zu erneuern, vor allem auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik; es gelang, die richtige Antwort auf die Globalisierung zu finden.

Leider wurde 1999 diese Politik aufgegeben, mit dem Ergebnis, dass die SPD vor dem Scherbenhaufen von fünf Millionen Arbeitslosen und gewachsener sozialer Ungleichheit steht. Diese SPD ist nur noch Hülle.

SZ: Wenn wieder Inhalt in die Hülle kommt, wenn die SPD sich also wandelt - sind Sie wieder dort zu Hause?

Lafontaine: Ich kann nicht zu weit in die Zukunft hineinspekulieren. Zur Zeit sind die Dinge, wie sie sind. Es geht in den nächsten Jahren darum, wieder eine linke Kraft aufzubauen, nachdem die SPD sich selbst aufgegeben hat.

SZ: Was löst das Kürzel USPD bei Ihnen aus, das für die linke Abspaltung von der SPD nach dem Ersten Weltkrieg steht?

Lafontaine: Die Erinnerung daran, dass es immer wieder Zeiten gibt, in denen tiefe programmatische Konflikte sozialdemokratische Parteien spalten. Solche Programmdiskussionen und Spaltungen haben wir heute, in der Ära des Neoliberalismus, auch in anderen Ländern und Parteien Europas.

SZ: Ist die USPD-Geschichte nicht auch ein Trauma für die gesamte Linke, die damals mehr sich selbst als die Nazis bekämpfte?

Lafontaine: Die Situation ist nicht vergleichbar. Damals wetteiferte man, wer die reinste politische Lehre vertrat. Heute geht es darum, dem All-Parteien-Neoliberalismus einen Gegenentwurf gegenüberzustellen.

SZ: Wie wichtig ist Ihnen die mögliche Rache am Konkurrenten Schröder?

Lafontaine: Ich lese immer den Begriff des Rachefeldzuges, der, wie die Diffamierung meines Rücktritts als Flucht, meine politischen Vorstellungen diskreditieren soll. Den Rachefeldzug gegen Schröder hat Schröder selbst geführt. Er steht vor dem Scherbenhaufen seiner Politik. Kein Kritiker hätte eine Chance gegen einen Kanzler, der eine erfolgreiche Politik macht.

SZ: Was ist Ihre schwächste Eigenschaft?

Lafontaine: Eine meiner Schwächen ist, mich in schwierigen Situationen verständlich zu machen. Ich nehme das Jahr der deutschen Einheit. Es gelang mir nicht, den Leuten zu vermitteln, dass mein Einwand gegen eine Währungsunion zum Kurs von eins zu eins keine Gegnerschaft zu den Ostdeutschen war, sondern der Sorge entsprang, dass viel zu viele von ihnen arbeitslos würden.

SZ: Damals waren Sie Kanzlerkandidat - und Opfer eines Attentats. Wie hat dieses Attentat Sie verändert?

Lafontaine: Ich bin innerlich verletzlicher geworden. Das bleibt, auch wenn die äußeren Verletzungen geheilt sind. Ich habe gelernt, dass es wichtigere Dinge geben kann als politische Augenblickserfolge. Ich versuche seitdem, Politik so zu machen, dass mein Verhalten auch vor meiner Familie Bestand haben kann.

Auch daraus erklärt sich mein Rücktritt 1999. Ich bin und bleibe ein politischer Mensch. Aber ich unternehme alle Anstrengungen, um Familienleben und Politik in Übereinstimmung zu bringen. Ich darf den mit der Politik verbundenen Deformationen nicht zu viel Raum geben. Es gibt da eine ganz einfache Regel: Man muss lernen, Nein zu sagen.

SZ: Nein wozu?

Lafontaine: Zur totalen Vereinnahmung durch die Politik.

SZ: Sie sind ein Anti-Kapitalist, bei der Selbst-Vermarktung aber ein gewiefter Kapitalist - als Autor, bei Fernsehauftritten, als Kolumnist der Bild-Zeitung.

Lafontaine: Das gehört in die Rubrik Heuchelei. Ich schreibe Bücher und arbeite als Publizist. Aber bei mir wird moniert, dass ich dafür, wie andere Journalisten und Politiker auch, ein Honorar erhalte. Man sucht anscheinend einen Vorwand, um mich zu diffamieren, weil ich für eine sozial gerechte Gesellschaft eintrete. Weder Brandt noch Bebel noch Lassalle gehörten zu den Sozialhilfeempfängern.

SZ: Und die Kritik aus der SPD, dass Sie ausgerechnet in der Bild-Zeitung schreiben, ist auch völlig unberechtigt?

Lafontaine: Diese Kritik habe ich nie akzeptiert. Das sind Leute, die Gramsci nicht gelesen haben.

SZ: Was hat Antonio Gramsci, Mitgründer der kommunistischen Partei Italiens, mit der Bild-Zeitung zu tun?

Lafontaine: Gramsci plädierte dafür, dass die Linke in die Massenpublikationen gehen muss. Ob das den Sozialdemokraten passt oder nicht: Bild wird von den Wählern gekauft, die wir ansprechen wollen. Im übrigen tummeln sich alle meine Kritiker gerne in der Bild-Zeitung.

SZ: Gehört ein klärendes Gespräch mit dem Rivalen Schröder noch zu dem, was Sie sich in Ihrem Leben wünschen?

Lafontaine: Ich hatte nach meinem Rücktritt öfter öffentlich solche Gespräche angeboten. Er hat nicht reagiert. Ich kann mich nicht ein Leben lang mit Schröder beschäftigen. Ich konzentriere mich jetzt darauf, einen Kurswechsel in der deutschen Politik herbeizuführen.

© SZ vom 16.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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