Lafontaine lobt Schröder:Ende der Eiszeit

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Erst überraschte der Altkanzler mit lobenden Worten über seinen schärfsten Gegner. Das hat Oskar Lafontaine anscheinend gefallen: In seiner Rezension der Schröder-Memoiren schlägt er viele versöhnliche Töne an.

Nach Jahren erbitterter Gegnerschaft nähern sich die früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder menschlich wieder an - wenn auch nur schriftlich.

Gleich in mehreren Passagen seiner Rezension der Schröder-Memoiren für das Magazin stern schlug Lafontaine versöhnliche Töne an. Er erinnerte an den Großen Zapfenstreich zur Verabschiedung Schröders, bei dem das Bundeswehr-Orchester den Frank-Sinatra-Song "I did it my way" gespielt hatte und dem scheidenden Kanzler die Tränen gekommen waren. "Als ich diese Szene im Fernsehen sah, war die Bitterkeit der letzten Jahre verflogen", schrieb Lafontaine. "Ich war auf seltsame Art und Weise beklommen, denn wir wollten etwas anderes."

Lafontaine, der 1999 im Streit mit Schröder alle Ämter niedergelegt hatte und nun Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag ist, zeigte sich "beeindruckt", dass sein "ehemaliger Partner auch heute noch an seiner Einschätzung festhält, nie wieder einen so begabten politischen Menschen kennengelernt zu haben" wie ihn, Lafontaine.

Der Linksfraktions-Chef fügte hinzu: "Und wenn er zum Ergebnis kommt, dass mein Rücktritt auch mit dem Attentat vom 25. April 1990, das ich nur knapp überlebte, zusammenhängt, dann stimme ich zu."

Positiv bemerkte Lafontaine zu dem Buch, Schröder sei der Versuchung, "sich selbst zu beweihräuchern", nur in begrenztem Umfang erlegen. "Das Auf-die-eigene-Schulter-Klopfen hält sich in Grenzen."

Widerstand gegen Irak-Krieg "historische Leistung"

Selbst für die politische Bilanz der Schröder-Memoiren fand Lafontaine in dem stern-Beitrag teilweise lobende Worte. Er würdigte es als "historische Leistung", dass der Kanzler dem amerikanischen Irak-Feldzug im Weltsicherheitsrat widersprochen und sich geweigert hatte, deutsche Soldaten in diesen Krieg zu schicken. Dies sei für ihn, Lafontaine, "die bedeutendste Entscheidung seiner Kanzlerschaft".

Dennoch komme er in der Gesamtbewertung "zu einem äußerst negativen Urteil" über Schröders Außenpolitik.

Die deutsche Beteiligung am Jugoslawien-Krieg und der Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan seien Völkerrechtsbrüche. Die Zusage, sich am Jugoslawien-Krieg zu beteiligen, hätten Schröder und sein grüner Außenminister Joschka Fischer ohne Abstimmung mit ihm, Lafontaine, gegeben, und sie hätten darüber auch nicht in den Koalitionsgesprächen berichtet.

Auch die rot-grüne Arbeitsmarktpolitik fand keine Gnade bei Lafontaine. Mit den Hartz-Gesetzen habe Schröder alles über Bord geworfen, "was bis dahin Bestandteil sozialdemokratischer Politik war". Er fügte hinzu: "Eine Generation, die in den 60er Jahren die Vergesellschaftung der Banken und Schlüsselindustrien gefordert hatte, enteignete jetzt die Arbeitnehmer."

Länger Verantwortung getragen als Schröder

Was die gegenseitige Einschätzung betrifft, liegen die beiden Kontrahenten aber nach wie vor über Kreuz. Wenn Schröder ihm aber eine "unbewusste Scheu, Verantwortung zu übernehmen", unterstelle, dann wirke das "eher komisch", schrieb Lafontaine. Er habe als Bürgermeister, Ministerpräsident und Minister "viel länger Verantwortung getragen als Gerhard Schröder".

Der Ex-Kanzler weigere sich bis heute zuzugeben, "dass der Verzicht auf alle meine Ämter das Ergebnis seines Wortbruchs war". Er fuhr fort: "Wir hatten uns in die Hand versprochen, das 1998 den Wählern vorgelegte Regierungsprogramm umzusetzen. Als Kanzler machte Schröder eine Politik, die das Gegenteil von dem war, was wir den Wählern versprochen hatten."

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