Länderspiel-Absage:Besser, nichts zu wissen

Lesezeit: 2 min

Spiel abgesagt: Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Fußballfunktionär Reinhard Rauball (re.). (Foto: Ole Spata/dpa)

De Maizière verschwieg, warum das Spiel in Hannover nicht stattfand. Er wolle nicht verunsichern. Genau das löste Sorgen aus.

Von Stefan Braun, Berlin

Am Dienstagabend um 18 Uhr war Bundesinnenminister Thomas de Maizière noch guter Hoffnung, wenig später in Hannover das Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande ansehen zu können. Eine gute Stunde später musste er jedoch tun, was er seit zehn Jahren vermeiden wollte: Er sagte aufgrund einer konkreten Terrorgefahr eine Großveranstaltung in Deutschland ab.

Wie genau die Bedrohung aussah, wollte er bei der nachfolgenden Pressekonferenz nicht sagen. Stattdessen bat er um einen "Vertrauensvorschuss" und erklärte, er werde weder über die Quelle noch die konkrete Gefahr sprechen. Das könne Informanten abschrecken und Rückschlüsse auf das künftige Verhalten der Sicherheitsbehörden zulassen. Doch weil natürlich trotzdem Fragen nach Details folgten, fügte er noch an, dass er auch deshalb nicht mehr sagen würde, weil präzisere Infos "die Bevölkerung verunsichern würden".

Es dauerte nur wenige Minuten, dann brach in den sozialen Netzwerken eine heftige Debatte darüber aus, ob de Maizière die Menschen damit erst recht verunsichert habe. Mancher erhob sogar den Vorwurf, der Minister schüre Angst, statt Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen. Nun kann am Ende nur jeder für sich selbst beurteilen, ob ihn diese Bemerkung beunruhigt hat. Auffallend war nur, dass der Innenminister, als Reinhard Rauball für den Fußball eine grundsätzliche "Wendung" ausmachte, betonte, die Menschen sollten "weiter ins Fußballstadion gehen, Volksfeste feiern, Weihnachtsmärkte besuchen". In jedem Einzelfall müsse die Sicherheitslage geprüft werden. Aber das ändere nichts daran, an "unserem Leben" festzuhalten.

Es ist auf den Tag genau fünf Jahre her, dass derselbe Bundesinnenminister seine erste Terrorwarnung aussprechen musste. Am 17. November 2010 stoppte er kein Fußballspiel, aber er warnte die Bevölkerung vor einer konkreten Anschlagsgefahr in Deutschland. Er musste nichts absagen. Aber er musste Alarm schlagen, verbunden mit der Ansage, dass auch der Berliner Reichstag bedroht sei. Was damals in ihm vorging, hat de Maizière später mal ausführlich geschildert. Er berichtete von der Sorge, mit der er abends ins Bett geht und morgens aufwacht. Er schilderte die Tage, an denen er jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, eine Gefahr, einen Fall, einen Anschlag, eine schwere Entscheidung befürchtet. Und er beschrieb den "schweren Spagat, einerseits zu warnen und von konkreten Anschlagszielen zu sprechen - und andererseits trotzdem dafür zu werben, dass die Menschen doch bitte weiterhin auf die Weihnachtsmärkte gehen" sollten. "Wir wollten den Terroristen - Terror stammt ja von Furcht - nicht den Triumph gönnen, dass allein durch eine Warnung Furcht entsteht", erzählte der Minister damals. Es wäre nur logisch, wenn ihm auch am Dienstag all das durch den Kopf ging. Umso deutlicher ist das Signal, das von der Absage des Fußballspiels ausgeht.

Nicht er, sondern andere, die damals ebenfalls in der Verantwortung standen, haben mal erzählt, wie die heiklen Wochen 2010 zu Ende gingen. Wochen, in denen de Maizière eine klare Warnung ausgesprochen, aber keinen Weihnachtsmarkt und auch sonst nichts abgesagt hatte. Als besagte Weihnachtsmärkte abgebaut waren, so heißt es, hätten sie im Kanzleramt aus Überschwang ein, zwei, vielleicht drei Fläschchen geöffnet. Sie seien "einfach unfassbar erleichtert" gewesen.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: