Kurt Beck mit neuer SPD-Spitze:Rosskur mit Risiko

Lesezeit: 2 min

SPD-Chef Beck macht aus der Not eine Tugend: Geeignetes Spitzenpersonal ist knapp geworden bei den Sozialdemokraten. Der verschlankte Stellvertreterkreis soll schlagkräftiger werden. Schon jetzt befeuert er die Kanzlerkandidatur-Frage mit neuem Leben.

Bernd Oswald

Was haben Jens Bullerjahn, Bärbel Dieckmann, Elke Ferner, Peer Steinbrück und Ute Vogt gemeinsam? Sie sind die fünf stellvertretenden Vorsitzenden der SPD. Doch die Zahl der Menschen, die das wissen, liegt bestenfalls im Promillebereich. Außer Finanzminister Steinbrück dürften sogar die bloßen Namen weitestgehend Schulterzucken hervorrufen.

So soll die neue SPD-Spitze aussehen: Frank-Walter Steinmeier (l.), Andrea Nahles (2. v. r.) und Peer Steinbrück (r.) sollen künftig Stellvertreter von Parteichef Kurt Beck (2. v. l.) sein (Foto: Foto: dpa)

Die SPD wechselte in sieben Jahren Rot-Grün so oft ihr Spitzenpersonal wie die Hautes Coutures die Modetrends. Allein, dass die SPD deutlich weniger im Trend liegt. Und das, was die Parteispitze als Trend ausgibt - schlankerer Sozialstaat, Auslandseinsätze der Bundeswehr - kommt bei der Basis schlecht an. Das zeigte die jüngste Mitgliederbefragung überdeutlich.

SPD-Chef Beck nimmt sich nun der personellen Malaise an: Statt fünf will er künftig nur noch drei Stellvertreter haben - die in der Öffentlichkeit bekannt sind. Das kann man über die Bundesminister Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück in jedem Fall sagen und auch die Parteilinke Andrea Nahles hat sich in den bald 20 Jahren, die sie der SPD angehört, einen echten Namen gemacht. Nun gelingt der Rheinland-Pfälzerin ein erstaunliches Comeback, nachdem sie mit ihren Karriereambitionen vor anderthalb Jahren Parteichef Müntefering zum Rücktritt bewogen hat.

Nur der Flügelproporz bleibt

In der Tat könnte eine übersichtlichere und prominentere Spitze dazu beitragen, dass die SPD in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen wird als das bislang der Fall war. Dafür bricht Beck - Wer hätte es gedacht? - auch mit der Proporztradition: Frauenquote, Posten für die gewichtigsten Landesverbände. Nur die Austarierung zwischen den Parteiflügeln bleibt: Nahles steht für die Linken, Steinmeier für die Netzwerker in der Mitte, Steinbrück für den "Seeheimer Kreis" der Parteirechten.

Mit seiner Rochade wertet Beck vor allem Außenminister Steinmeier auf. Der ist zwar schon ewig SPD-Mitglied, hatte aber bisher noch kein Parteiamt oder Parlamentsmandat inne. Die Analogie zu Peer Steinbrück ist verblüffend: Auch dem Finanzminister haftete einst das Image eines Technokraten an, der zu wenig Stallgeruch habe. In den zwei Jahren, die Steinbrück nun SPD-Vize ist, sind diese Negativfaktoren sichtbar verblasst. Steinbrück gilt gar als Ersatz-Kanzlerkandidat.

Noch mehr trifft das auf Frank-Walter Steinmeier zu. Er ist mit 51 deutlich jünger als der 60-jährige Steinbrück, hat noch keine Wahlniederlage hinnehmen müssen und besetzt als Außenminister den deutlich populäreren Job. Steinbrück hat zwar momentan einen Beliebtsheitwert, der sich sehen lassen kann, der aber fast schicksalhaft an das Konjunkturbarometer gebunden ist. Geht es mit der Wirtschaft bergab und sieht sich der oberste Kassenwart der Republik gezwungen wieder den Rotstift hervorzukramen, ist es schnell vorbei mit der Popularität.

Becks selbstverständlicher Anspruch ist weg

Steinmeier hingegen hat in der Kurnaz-Affäre weniger Schaden genommen als befürchtet und ist immer noch der beliebteste SPD-Politiker. Dagegen musste Parteichef Beck in den gut zwölf Monaten, die er die Sozialdemokraten nun führt, einsehen, dass er mit seinem bodenständig-leutseligen Auftreten zwar in Rheinland-Pfalz punktet, nicht aber in ganz Deutschland. Seine Bilanz als SPD-Chef ist bestenfalls durchwachsen: Beim Amtsantritt im April 2006 war er noch der selbstverständliche Kanzlerkandidat 2009, nun ist er nur ein Anwärter unter mehreren. Die Installation Steinmeiers als Stellvertreter könnte das Zugriffsrecht Becks auf die Kanzlerkandidatur noch weiter unterhöhlen.

Allerdings ist Beck erfahren genug, um all diese strategischen Überlegungen in seine Entscheidung einzubeziehen. Es ist ihm durchaus zuzutrauen, dass er seine Kanzlerambitionen - so er sie denn überhaupt (noch) hegt - zugunsten eines aussichtsreicheren Kandidaten Steinmeier zurückstellt. Und zwar mit deutlich weniger Getöse, als das 1998 beim Duo Lafontaine-Schröder der Fall war.

Vorstellbar ist, dass sich Beck mehr auf den Gefühlspart in der Partei konzentriert und die (Regierungs-) Macht den Alpha-Ministern überlässt. Auch zwischen Franz Müntefering und Gerhard Schröder gab es ja so eine Arbeitsteilung. Zumindest für den Moment täte Beck gut daran.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: