Kurt Beck:Getriebener Diener zweier Herren

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Der Gesundheitskompromiss strapaziert nicht nur das Koalitionsklima, sondern auch die Geschlossenheit der SPD. Der oberste Genosse hat sich in seiner neuen Rolle noch nicht zurecht gefunden und mäandert zwischen Regierungstreue und Parteilinie hin und her.

Bernd Oswald

Kurt Beck ist unter den Sozialdemokraten derjenige mit der längsten ununterbrochenen Regierungserfahrung. Seit 1994 ist er Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, seit März gar mit absoluter Mehrheit. Als die Genossen im April quasi über Nacht einen neuen Vorsitzenden brauchten, fiel die Wahl umgehend auf Beck, das letzte große unverbrauchte Kaliber, das die SPD aufzubieten hatte.

Zwar hat Beck kein Ministeramt in Berlin übernommen, als SPD-Bundesvorsitzender sitzt er aber mit am Ruder des schwarz-roten Regierungsdampfers. Das Gezerre nach der Verkündung des Gesundheitskompromisses zeigt aber, dass er sich gar nicht sicher ist, welchen Kurs er fahren soll.

Den von ihm mit ausgehandelten Kompromiss verteidigte er zu Wochenbeginn, auch gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Beck nahm dabei so etwas wie die Rolle eines Regierungssprechers ein. Fast wirkte es, als stünde er der Union näher als seiner eigenen Partei. Intern rügte er dann die eigenen Leute: Für die Nachforderungen, die sie während der Verhandlungen gestellt hatten. Für das fehlende Vertrauen in ihn als Unterhändler.

Granden verweigern die Gefolgschaft

So etwas kommt schnell in den falschen Hals und prompt verbreitete sich das Gerücht, Beck habe gar mit Rücktritt gedroht. Das war wohl ein bisschen zuviel der Interpretation, jedenfalls war der SPD-Chef verstimmt und forderte mehr Geschlossenheit und Vertrauen ein.

Nach außen betonte er dagegen die Regierungsfähigkeit und Verlässlichkeit seiner Sozialdemokraten - ein glatter Widerspruch, wie die kurz darauf folgenden Einlassungen von zwei weiteren SPD-Granden zeigten.

Vizekanzler Müntefering schloss nicht aus, was der Kompromiss sehr wohl ausgeschlossen hatte: Dass die teure Gesundheitsreform über weitere Steuererhöhungen finanziert wird. Weil dem nun zumindst fürs Erste nicht so ist, warf Fraktionschef Struck der Kanzlerin gar Wortbruch vor - und untergrub so weiter Becks Autorität.

Ansteckende Nervosität

Heute Morgen hat sich der oberste Genosse, der gerade noch die Reform verteidigte, in die Reihen der Kritiker eingereiht. Nicht in interner Sitzung, sondern ganz öffentlich, bei der Verabschiedung der Föderalismusreform im Bundesrat.

Es sei schon "überraschend", dass die "Steuerfinanzierung, die einvernehmlich verabredet wurde", nun nicht kommen solle, monierte Beck. Über die jetzt gefundene Finanzierungsgrundlage sei man "nicht glücklich".

Eine neue becksche Kehrtwendung in dieser ereignisreichen Woche. Dabei ist der stämmige Pfälzer eigentlich nicht für janusköpfige Politik bekannt. Nun hat sich Beck aber von der "gewissen Nervosität", die er gerade der großen Koalition attestiert, selbst anstecken lassen. Dem Außenbild seiner Partei kommt das nicht zugute, wie auch die jüngsten Umfragen beweisen.

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