Kuhglocken-Prozess:Paradies mit Schönheitsfehler

Wieviel Toleranz darf das Kulturgut Kuhglocke für sich beanspruchen? Das Oberlandesgericht München hat darauf jetzt eine vernüftige Antwort gefunden. Und der Gesellschaft Stoff zum Nachdenken mitgegeben.

Von Matthias Drobinski

Städter, ziehst du aufs Land, so wisse: Es gibt dort weiten Himmel, aber auch Bauern mit Kühen. Diese Kühe lassen Fladen fallen, ziehen Fliegen an, und manche tragen Glocken. Städter, wisse auch: Es werden die Kühe sich nicht deinetwegen die Fladen verkneifen, die Fliegen das Fliegen, die Glocken verstummen. Du musst damit leben.

Damit könnte die Geschichte des Kuhglockenstreits von Holzkirchen zu Ende sein: Ein Paar hatte gegen das Geläute von der Wiese nebenan geklagt, ein vernünftiges Münchner Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Das Ansinnen der Kläger aber geht über die Frage hinaus, wie viel Emissionstoleranz das Kulturgut Kuhglocke für sich beanspruchen kann. Es steht für eine Haltung, die sich in Land und Stadt verbreitet wie der Fußpilz im Hallenbad: Wohin ich auch gehe, die Welt muss sich an mir ausrichten wie die Eisenspäne am Magneten.

Und so ziehen die Leute über die Kneipe, weil es da so schön lebendig ist - und verklagen dann den Wirt. Sie mieten sich im Zentrum ein und empören sich über die Kirchenglocken. Sie sind konsterniert, dass ihre Umgebung sich nicht ordnet zum nebenwirkungsfreien Paradies, wo man doch bezahlt hat dafür. Es droht die Herrschaft der großen Gereiztheit. Dagegen braucht es noch manches Kuhglocken-Urteil.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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