Kuba:Partei ohne Volk

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In Kuba hat sich eine linke Alternative zu den Kommunisten gebildet - das Regime des 77-jährigen Raúl Castro schweigt dazu.

Marc Felix Serrao

Kuba verändert sich, ganz langsam. Das hofft zumindest Manuel Cuesta Morúa. Als Beispiel nennt der Sprecher der gerade gegründeten oppositionellen Partido Arco Progresista (Fortschrittspartei) die Unterzeichnung von zwei UN-Menschenrechtserklärungen durch Kubas Außenminister Felipe Pérez Roque Anfang des Jahres.

Der kubanische Oppositionspolitiker Manuel Cuesta Morúa verteilte schon im April 2007 vor der spanischen Botschaft in Havanna Statements der Gruppe Arco Progresista, die sich jetzt formell als Partei gegründet hat (Foto: Foto: AFP)

Damit habe sich das Regime auch verpflichtet, die Meinungsfreiheit zu achten. "Das ist vielleicht der wichtigste Strukturwandel", sagte Morúa der Süddeutschen Zeitung. "Nun können wir das Verhalten der Autoritäten an universellen Werten messen, zum ersten Mal in fünf Jahrzehnten."

Morúa, ein 45-jähriger Historiker, spricht viel über Werte, mehr kann er bislang nicht tun. Seit der Revolution von 1959 spielt die Kommunistische Partei qua Gesetz die führende Rolle - als "Avantgarde" des Landes. Oppositionelle Gruppen dürfen, sofern sie staatskonform sind, existieren. Praktisch haben sie aber kaum Einfluss.

Zwanzig Jahre lang habe er versucht, mit der Regierung über politische Reformen zu reden, sagt Morúa. "Sie haben nie geantwortet." Er hoffe, dass die Fortschrittspartei bessere Chancen habe: "Es heißt immer, Kubas Opposition sei geteilt, aber wir zeigen jetzt, dass die Sozialdemokraten geeint sind."

Drei Gruppen haben sich nun in der Hauptstadt Havanna zur neuen Partei zusammengeschlossen. Morúa spricht von 400 Mitgliedern und 2000 Helfern. Die Polizei habe vergeblich versucht, das Gründungstreffen zu verhindern, indem sie Delegierte zu Hause festgehalten habe. Eine Reaktion der Regierung auf die neue Partei gibt es bislang nicht.

Die wichtigste Aufgabe seiner Partei sei das "sozialdemokratische Projekt", sagt Morúa. Durch die Einheit, hofft er, wachse auch die Anziehungskraft einer demokratisch-linken Alternative zum Kommunismus. Morúa fordert unter anderem eine Agrarreform, damit die Lebensmittelpreise sinken. Außerdem will er sich für eine "demokratische Bürgerkultur" einsetzen.

Anders als die meisten anderen Oppositionellen in Kuba, kritisieren Morúa und seine Leute die harte politische Linie der USA gegenüber der Karibikinsel. Er habe nie Geld von der amerikanischen Regierung erhalten, sagt der Sprecher. "Ich zähle zu denen, die nahe an den Vereinigten Staaten und weit weg von Washington leben."

Günther Maihold, Kuba-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, glaubt nicht, dass die Fortschrittspartei in absehbarer Zeit eine politische Größe wird: "Für die Gestaltung des Transformationsprozesses in Kuba spielen solche Parteien momentan nur eine geringe Rolle." Sie seien vor allem Anlaufstellen für Akteure aus dem Ausland, die mit einem Bein im Land stehen wollten. "In der Lesart der kubanischen Regierung heißt das: Instrumente der Unterwanderung."

Das Regime des 77-jährigen Raúl Castro, der dieses Jahr das Amt als Staats- und Regierungschef von seinem fünf Jahre älteren Bruder Fidel übernahm, lasse noch keine klare Linie im Umgang mit der Opposition erkennen, sagt Maihold. "Bislang erleben wir eine vorsichtige wirtschaftliche Öffnung bei gleichzeitiger politischer Konstanz." Kubaner dürfen seit kurzem Mobiltelefone und PCs verkaufen - wobei sich kaum jemand so etwas bei 400 Pesos (15 Euro) Monatslohn leisten kann.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Rolle die EU für die kubanischen Dissidenten spielt.

Außerdem hat Raúl Castro verfügt, dass Mitarbeiter von Staatsbetrieben, das sind neun von zehn Kubanern, künftig nach Leistung bezahlt werden. Was die Castro-Herrschaft stabilisiere, sei vor allem der Beistand des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, meint Maihold - besonders dessen günstige Öl-Lieferungen: "Chávez' Unterstützung ist der zentrale externe Faktor, der das Regime festigt."

Auch Luis Yañez ist skeptisch, was den politischen Wandel in Kuba angeht. Der sozialdemokratische spanische EU-Parlamentarier wollte bei der Gründung der Fortschrittspartei in Havanna dabei sein, bekam aber kein Visum. "Ich habe wenig Hoffnung", sagt er. "Wirtschaftlich tut sich etwas, politisch nichts."

Kann Deutschland etwas tun?

Kann Deutschland, kann die EU etwas tun, um den Dissidenten in Kuba zu helfen? Maihold hält eine direkte Unterstützung der Oppositionsparteien momentan nicht für ratsam: "Das wäre die offene Konfrontation mit dem System."

Seit die EU im Juni ihre Sanktionen gegen Kuba aufgehoben hat, seien die Möglichkeiten der Entwicklungszusammenarbeit gewachsen. Wenn, dann sollten die Europäer auch versuchen, mit gesellschaftlich stark verankerten Institutionen wie der katholischen Kirche oder verschiedenen Kulturvereinen zu kooperieren.

Das Lateinamerikanische Filmfestival im vergangenen Dezember in Havanna habe gezeigt, wie man die Kubaner erreiche. Bei dem Festival lief auch das oscargekrönte deutsche Stasi-Drama "Das Leben der Anderen". Der Film sei "sehr aktiv" aufgenommen worden, erzählt Maihold: "Das war für die Kubaner eine willkommene Möglichkeit, sich mit ihrer eigenen Situation auseinanderzusetzen."

© SZ vom 25.07.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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