Kritik in der Union:Merkel gerät bei Atomkraft in Bedrängnis

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Die Bundeskanzlerin wird aus den eigenen Reihen immer heftiger bedrängt, die Politik des Atomausstiegs zu revidieren. Mehrere Unions-Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister Glos forderten längere Laufzeiten für Kernkraftwerke, Hessens Regierungschef Koch will sogar neue Meiler errichten.

Nico Fried

Einen Tag vor der Klausur des Bundeskabinetts in Genshagen hat sich der Streit zwischen Union und SPD um die Energiepolitik verschärft. Umweltminister Gabriel wandte sich klar gegen eine Veränderung des bestehenden Atomausstiegsgesetzes. Eine Verlängerung der Laufzeiten stelle "unmittelbar die Frage nach der Sicherheit der Kraftwerke", schreibt Gabriel in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung.

Zudem mache die nukleare Stromerzeugung die Energiewirtschaft von Uran abhängig, "das bei einer Verwirklichung gewünschter Ausbaupläne schon in knapp 25 Jahren erschöpft sein würde", so Gabriel. Als besonders wichtigen Punkt hebt der Umweltminister hervor, dass sich die Atomkraft nur bei einem hohen Stromverbrauch lohne. Dies widerspreche jedoch einer intelligenten Energienutzung, die aufgrund knapper Ressourcen in Zukunft notwendig sei.

"Abschaltung ist Unsinn"

Hessens Ministerpräsident Koch (CDU) sagte dagegen der Leipziger Volkszeitung, man müsse sich die Frage des Neubaus von Atomkraftwerken "für das nächste Jahrzehnt offen halten". Das sei "eine technische und ökonomische, aber keine ideologische Frage". In jedem Fall fordert Koch wie andere Unions-Ministerpräsidenten eine Überprüfung der Laufzeiten bestehender Kernkraftwerke. Ein Land, das darum kämpfe, nicht zu teuer zu werden, könne sich "diesen volkswirtschaftlichen Unsinn nicht leisten, sichere Kernkraftwerke abzuschalten, die billigen Strom produzieren". Seiner Ansicht nach hätte sich die große Koalition zwischen Union und SPD "schon gelohnt, wenn im Rahmen der kleinen Schritte die Frage offen bleibt, ob ein Kernkraftwerk abgeschaltet wird", sagte Koch in Anspielung auf die Ankündigung Merkels, ihre Regierung verfolge eine Politik der kleinen Schritte.

Der Atomausstieg wurde 2000 von der rot-grünen Koalition mit der Energieindustrie vereinbart. Er verbietet den Neubau von Kraftwerken und sieht vor, dass bis etwa zum Jahr 2021 der letzte Meiler abgeschaltet werden soll. Seit wegen des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine in Deutschland eine Diskussion über die künftige Energieversorgung begonnen hat, dringen immer mehr Ministerpräsidenten der Union darauf, das Ausstiegsgesetz zu modifizieren. Neben Koch zählen dazu die Ministerpräsidenten Christian Wulff (Niedersachsen), Edmund Stoiber (Bayern) und Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer meinte, es sei ja möglich, dass die SPD ihre Meinung ändere.

Dagegen hatte Angela Merkel vergangene Woche mitteilen lassen, die große Koalition wolle am Atomausstieg festhalten. Schon im Koalitionsvertrag waren zwar die unterschiedlichen Positionen beschrieben worden, zugleich wurde aber vereinbart, das Ausstiegsgesetz nicht zu verändern. Unterstützung erhielt Merkel bislang von den CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) und Dieter Althaus (Thüringen).

Oettinger will Länder entscheiden lassen

Der Stuttgarter Regierungschef Oettinger bekräftigte hingegen am Wochenende seine Position, sichere Kraftwerke sollten weiter betrieben werden. Parallel solle jedes Jahr überprüft werden, wie schnell der Ausbau erneuerbarer Energien vorankomme. Er schlug zudem vor, "dass die Länder darüber entscheiden sollten, wann Kernkraftwerke vom Netz gehen". Nach dem Ausstiegs-Plan soll in Baden-Württemberg 2008 der Atommeiler Neckarwestheim 1 stillgelegt werden.

Die Grünen warnten vor einer Abkehr vom Atomausstieg und dem Bau neuer Atomkraftwerke. "Wenn Koch und Co. mit ihrer Atomkraftmeierei Ernst machen, werden wir in Berlin und vor Ort den Widerstand organisieren", sagte Geschäftsführerin Steffi Lemke . "Wir haben die große Mehrheit der Bevölkerung auf unserer Seite."

© SZ vom 9. 1. 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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