Kritik der Kommunen:In der Zaungast-Rolle

Lesezeit: 2 min

Die deutschen Städte fühlen sich bei der Föderalismusreform übergangen und fordern als Konsequenz eine Verfassungsänderung.

Von Joachim Käppner

Die Kommunen wollen künftig ein verbindliches Anhörungsrecht bei der Gesetzgebung: "Wir verlangen, dass man uns wenigstens zuhört, wenn es um unsere eigenen Belange geht", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, der Süddeutschen Zeitung.

In den Städten und Landkreisen macht sich nun, da sich die Ergebnisse der Föderalismus-Kommission abzeichnen, Enttäuschung breit. Die Kommission hatte den Auftrag, die verschachtelten Kompetenzen von Bund und Ländern neu zu ordnen.

Weil die Interessen der Gemeinden, de facto die dritte Staatsebene, verfassungsrechtlich von ihrem jeweiligen Land vertreten werden, hatten sie bei den Beratungen nur Gaststatus, immerhin mit dem Recht, eigene Anträge zu stellen. Die Abgesandten der Kommunalen Spitzenverbände fühlten sich freilich mehr als Zaungäste.

Forderung nach mehr Eigenständigkeit in der Politik

"Kein Mensch hat auf unsere Anträge auch nur reagiert", rügt Articus. Kein einziger sei beantwortet worden. Dabei sieht der Einsetzungsbeschluss für die Kommission ausdrücklich eine Berücksichtigung der Kommunen vor. Auch Christian Schramm, Präsident des die kleineren Kommunen vertretenden Städte- und Gemeindebundes, verlangt "mehr Gestaltungsspielräume für eine eigenständige Politik".

Nach den Worten von Articus gibt inzwischen "die europäische Verfassung den Städten eine stärkere Position als die deutsche". Die Städte fordern daher eine Änderung des Grundgesetz-Artikels 28 über die kommunale Selbstverwaltung. Demnach soll der Bund verpflichtet werden, die Kommunen anzuhören, wenn Gesetze sie betreffen.

Außerdem soll der Gesetzgeber "abweichende Kostenfolgenschätzungen" angeben müssen. Das bedeutet: Wenn die Kommunen - wie bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV - überzeugt sind, dass die Folgen eines Gesetzes weit teurer sind als vom Bund behauptet, müsste dies darin ausdrücklich genannt werden. Davon verspricht sich Articus "eine erzieherische Wirkung".

Beim Streit um Hartz IV hatten die Städte lange Zeit vergeblich darauf hingewiesen, dass das Gesetz sie wegen einer gleichzeitigen Wohngeldreform nicht ent-, sondern belasten werde; erst nach Monaten lenkte die Bundesregierung ein und sagte zusätzliches Geld zu, um Mehrkosten auszugleichen.

Außerdem fordern die Spitzenverbände, auch für ihre Beziehungen zum Bund das so genannte Konnexitätsprinzip einzuführen: "Wer uns eine neue Aufgabe überträgt, soll auch bezahlen". Articus sagte dies mit Blick auf den ungeklärten Konflikt zwischen den Städten und Familienministerin Renate Schmidt (SPD), wie der Ausbau der Kleinkindbetreuung zu finanzieren sei.

Würde ein solches Prinzip eingeführt, sei gar nichts dagegen einzuwenden, wenn der Bund auch künftig direkt Aufgaben an die Kommunen übertragen dürfe. Zwar sieht die Bundestags-Geschäftsordnung die Möglichkeit vor, die Meinung der Städte einzuholen. Articus beklagte jedoch, dass es "ins Belieben des Parlaments gestellt ist, dies zu tun oder zu lassen."

Als Beispiele nannte er die Beratungen zum Zuwanderungsgesetz und zum Energiewirtschaftsrecht: "Beides betrifft uns direkt - nur unsere Meinung war nicht gefragt."

© SZ vom 13.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: