Kritik aus Niedersachsen:"Kriminal-Arbeit wird schwerer"

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Die niedersächsische Landesregierung ist von dem Karlsruher Urteil auf dem falschen Fuß erwischt worden. Höchstens "ein paar Details" würden die Verfassungsrichter bemängeln, glaubte das Innenministerium noch einen Tag vor dem Urteil.

Von Ralf Wiegand

Minister Uwe Schünemann (CDU) blieb im Urlaub, sein Sprecher Klaus Engemann gab die Stimmung im Ressort wieder: Ein Scheitern der präventiven Telefonüberwachung, eines zentralen Bestandteils des 2003 beschlossenen Polizeigesetzes, wäre "der Super-GAU. Aber damit rechnen wir wirklich nicht". Sie wähnten sich auf der sicheren Seite.

Nun ist der Minister entsprechend betroffen. Es sei bedauerlich, ließ Schünemann aus den Ferien in die Landeshauptstadt übermitteln, dass das Bundesverfassungsgericht "das Recht des Einzelnen anders interpretiert als das Land". Der Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus werde erschwert, Schünemann warnte: "Der Datenschutz darf nicht dazu führen, dass ein effektives Handeln der Polizei nicht mehr möglich ist." Er kündigte eine detaillierte Analyse des Urteils an.

FPD stimmte "trotz Bedenken" zu

Die CDU-geführte Landesregierung von Ministerpräsident Christian Wulff hatte das bis dahin gültige Gefahrenabwehrgesetz im Herbst 2003 in das nun strittige "Gesetz über die Sicherheit und Ordnung" geändert; im Januar 2004 trat es in Kraft. Auch der Koalitionspartner FDP stimmte dafür, "trotz großer Bedenken", wie der Fraktionsvorsitzende Philipp Rösler am Mittwoch sagte.

Zwar habe man den ursprünglichen Gesetzesentwurf entschärfen können, etwa durch Einführung des Richtervorbehalts oder den Schutz bestimmter Berufsgruppen. Dennoch "nehme ich das Urteil mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis", sagte Rösler.

Datenschützer zufrieden

Von Anfang an hatte es Widerstand gegen den Paragrafen 33a - Datenerhebung durch Überwachung der Telekommunikation - gegeben, von der Opposition, von Datenschützern, Staatsanwälten und Polizeipraktikern. "Es hat an kritischen Stimmen nicht gefehlt", sagte der niedersächsische Datenschutzbeauftragte Burckhard Nedden.

Seiner Meinung nach ist das BVG-Urteil weitreichend, da es erneut den schon im Urteil zum Großen Lauschangriff erwähnten "unantastbaren Kern der persönlichen Lebensgestaltung" stärke und über die Grenzen der eigenen Wohnung hinaus ausweite.

Zudem sieht Nedden nun Handlungsbedarf beim Gesetzgeber auch für andere Teile der präventiven Polizeipraxis, etwa bei verdeckten Ermittlungen und längerfristigen Observationen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes, so Nedden, sei es nur "in einer Hand voll Fälle" zur Anwendung gekommen. Zwei davon mit islamistischem Hintergrund waren Gegenstand der Verhandlung vor dem BVG im März.

© SZ vom 28.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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