Kritik aus der Union:Harter Streit um höhere Hartz-IV-Leistungen

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Wegen der gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise denkt Vizekanzler Müntefering über eine Anpassung des Arbeitslosengeldes II nach - und will gleichzeitig einen Mindestlohn einführen. Doch dieses Fass wollen Unionspolitiker nicht wieder aufmachen.

Mehrere Unionspolitiker haben sich gegen die Absicht von Franz Müntefering ausgesprochen, in Verbindung mit einer Überprüfung des Hartz-IV-Satzes einen Mindestlohn einzuführen. Im Gegenzug warf der Vizekanzler und Arbeitsminister der Union einen widersprüchlichen Kurs vor.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kritisierte in der Passauer Neuen Presse, die Verknüpfung von Mindestlohn und Hartz-IV-Satz sei "sachlich falsch". Ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn produziere mehr Arbeitslosigkeit und verursache damit "immense Zusatzkosten für den Sozialstaat".

Allerdings lehnte Pofalla eine Überprüfung des Hartz-IV-Regelsatzes und eine mögliche Anhebung der Leistungen nicht generell ab. Wenn neue Erkenntnisse vorlägen, die eine Anpassung des Regelsatzes nötig machten, müsse gehandelt werden, sagte Pofalla. Müntefering will wegen der Preissteigerungen in gewissen Bereichen die Anpassung für das Arbeitslosengeld II und die Sozialhilfe überprüfen.

Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder kritisierte den Bundesarbeitsminister für dessen Vorstoß zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns. "Ich warne die SPD davor, ständig, wenn wir etwas vereinbart haben, mit neuen Ideen zu kommen", sagte Kauder in der ARD.

"Wir haben klar und eindeutig vereinbart, dass wir ein Mindestarbeitsbedingungsgesetz verabschieden werden, und dass damit die Diskussion über Mindestlöhne in der Koalition beendet ist", betonte der CDU-Politiker.

Warnung vor Schnellschüssen

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) lehnte in der Leipziger Volkszeitung ebenfalls die Verknüpfung der Anpassung des Existenzminimums mit einem generellen Mindestlohn ab. "Der Mindestlohn hat nichts mit der Politik zu tun, sondern ist Aufgabe der Tarifparteien. Man darf beide Seiten nicht miteinander verquicken", sagte Althaus. Er hatte kürzlich vorgeschlagen, "Hartz IV" an die Inflationsrate anzupassen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) wandte sich grundsätzlich gegen eine baldige Erhöhung des Arbeitslosengelds II. "Wir haben unsere Hausaufgaben im Haushaltsbereich noch lange nicht gemacht. Die Vorzeichen müssen weiter durch Sparsamkeit und nicht durch wünschenswerte Mehrausgaben geprägt sein", sagte Oettinger in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart.

Der CDU-Politiker sieht aktuell keine Notwendigkeit für eine Überprüfung des Hartz-IV-Regelsatzes von 347 Euro. Die Hartz-Reformen sollten erst Ende 2008 neu unter die Lupe genommen werden.

Der Wirtschaftsweise Bert Rürup warnte hingegen davor, die Hartz-IV-Sätze an die Preisentwicklung zu koppeln. Das "wäre nicht die richtige Antwort. Das könnte nämlich dazu führen, dass die Hartz-IV-Bezüge gegebenenfalls stärker steigen als die Nettoeinkommen der Rentner, Bafög-Bezieher oder sogar der Arbeitnehmer", sagte Rürup einer Meldung des Nachrichtenmagazins Focus zufolge.

Die jetzige Anpassungspraxis, die das Bundesarbeitsministerium überprüfen will, könne man gleichwohl durchaus kritisieren, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats. Sie beruht auf der fünfjährlichen Einkommens-Verbraucher-Statistik, die erst 2008 neu erhoben wird. Bis dahin ist der Regelsatz an die Rentenentwicklung gekoppelt. Rürup sprach sich auch dagegen aus, ihn mit der Mindestlohn-Debatte zu verquicken, und mahnte: "Ich warne dringend vor Schnellschüssen."

Unterstützung fand Müntefering beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Dieser forderte "eine Sofortanpassung des Regelsatzes". Die Erhöhung sei "mindestens im Umfang des inflationsbedingten Kaufkraftverlustes vorzunehmen, den Hartz-IV-Empfänger verkraften müssen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der Nachrichtenagentur dpa.

Müntefering warf der Union einen widersprüchlichen Kurs vor. Dies belaste das Klima in der Koalition. "Ein Zick-Zack ist im Vergleich dazu eine gerade Linie", sagte Münteferings Sprecher Stefan Giffeler in Berlin über die Aussagen von CDU-Politikern. "Das ist keine gute Erfahrung in einer Koalition."

Es gebe immer wieder Unions-Forderungen, die Kosten des Arbeitslosengeld II zu senken und dafür den Regelsatz zu kürzen. Einen umfassenden Mindestlohn, der die Kosten senken werde, lehne die Union jedoch ab, kritisierte Münteferings Sprecher.Nun werde eine Anhebung des Regelsatzes gefordert. Trotz dieser Widersprüche in der Union müsse man aber eine Lösung suchen.

Müntefering hatte angekündigt, die Höhe der Hartz-IV-Sätze überprüfen zu lassen. Damit reagierte er auf Forderungen, die Hartz-IV-Hilfe wegen der gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise zu erhöhen. Allerdings betonte Müntefering, eine Erhöhung der Hartz IV-Hilfen komme nur in Betracht, wenn der Bund nicht weiter belastet und ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt werde.

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