Kritik an Rumsfeld:Der Präsident als Informant

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Der Skandal um misshandelte Iraker zieht weite Kreise. Eigentlich ist er schon an der Spitze der Militär-Hierarchie angelangt, bei Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Jetzt sorgt George W. Bush für den Fall vor, dass sein Getreuer nicht mehr zu halten ist.

Von Wolfgang Koydl

Damen-Unterwäsche, immer wieder Damen-Unterwäsche. Slips und Büstenhalter scheinen zu den bevorzugten Instrumenten der US-Militärpolizisten gehört zu haben, wenn sie gefangene Iraker seelisch quälen wollten.

Die Inhaftierten mussten die Dessous anziehen, oder man drapierte sie auf ihren nackten Körpern - so auch zu sehen auf jenen neuen Bilder, welche die Washington Post am Donnerstag veröffentlicht hat.

Die verschiedenen Formen sexueller Erniedrigung erlauben den Schluss, dass einfache Soldaten wahrscheinlich nicht von sich aus auf diese ausgeklügelten Methoden seelischer Qual verfallen sind. Was auf den Fotos zu sehen ist, trägt eher die Handschrift von Verhörexperten, die genau wussten, wo man bei Menschen aus dem islamischen Kulturkreis ansetzen musste, um sie gefügig zu machen.

Ein Skandal bis in die Spitze der Militär-Hierarchie

In dem Untersuchungsbericht, den Generalmajor Antonio Taguba schon vor Monaten vorlegte, der aber damals unter Verschluss blieb, ist denn auch ausdrücklich die Rede davon, dass von den Militärpolizisten in den Gefängnissen erwartet wurde, "die richtigen Bedingungen" für die Verhöre zu schaffen - mit Demütigungen und Erniedrigungen.

Der Skandal wird sich denn auch nicht auf einige wenige Militärpolizisten beschränken lassen. Er wird Kreise ziehen, und eigentlich ist er schon an der Spitze der Militär-Hierarchie angelangt, bei Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

Seine Entscheidungen, so urteilte die Washington Post in einem schneidenden Leitartikel, "trugen dazu bei, ein rechtloses Regime zu schaffen, in welchem Gefangene im Irak und in Afghanistan erniedrigt, geschlagen, gefoltert und ermordet wurden" - und in dem, jedenfalls bis vor kurzem, niemand zur Verantwortung gezogen wurde.

"Absolut unannehmbar"

Wie ernst die Situation für den lange allmächtigen Chef des Pentagon zu werden droht, zeigt die Tatsache, dass Präsident George W. Bush von ihm abzurücken beginnt.

Gespräche, die im Oval Office geführt werden, finden ihren Weg ja nicht zufällig in die Presse, sondern weil sie Journalisten gezielt zugespielt werden. Wenn Rumsfeld nun lesen konnte, dass Bush "nicht glücklich" über ihn gewesen sei und dass er ihn dies auch habe wissen lassen, dann kennt er die Quelle der Indiskretion: den Präsidenten selbst.

Nie zuvor hat Bush gestattet, dass Kritik an einem seiner engsten Mitarbeiter in die Öffentlichkeit getragen wird. Der Präsident ist bekannt dafür, dass er Loyalität fordert und auch selbst zeigt.

Bush auf vorsichtiger Distanz zu Rumsfeld

Offiziell steht er denn auch weiter zu seinem Verteidigungsminister; im Interview mit dem arabischsprachigen Fernsehsender Al Hurra sprach er ihm sein Vertrauen aus, am kommenden Montag wird er - ungewöhnlich für einen Präsidenten - Rumsfeld auf dessen eigenem Territorium, im Pentagon, besuchen.

Doch Beobachter weisen darauf hin, dass Bush mit der Kritik an Rumsfeld vorsorglich auf Distanz gegangen ist, falls der Minister nicht mehr zu halten sein wird. Bislang werden Rücktrittsforderungen nur in der Presse laut.

Thomas Friedman von der New York Times, der nicht zu den schärfsten Gegnern der Regierung zählt, fordert eine Totalüberholung der Irak-Politik: "Dieser Umbau muss damit beginnen, dass Präsident Bush Verteidigungsminister Donald Rumsfeld feuert - und zwar heute, nicht morgen oder nächsten Monat, heute."

"Kein Mitglied des Senats hatte eine Ahnung"

Am Freitag wird Rumsfeld Gelegenheit haben, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen. Der mächtige Vorsitzende des Streitkräfte-Ausschusses des Senats, der Republikaner John Warner, hat den Pentagon-Chef vor seine Kommission zitiert.

Dort wird er erklären müssen, warum der Skandalbericht von Generalmajor Taguba Monate ungelesen auf seinem Schreibtisch lag und warum Rumsfeld die Vorwürfe verharmloste und verwarf, nachdem sie bekannt geworden waren.

Besorgnis erregend für den Verteidigungsminister muss vor allem sein, dass sich ausgerechnet unter seinen alten republikanischen Verbündeten in Senat und Repräsentantenhaus Missmut und Ärger breit machen: "Kein Mitglied des Senats hatte eine Ahnung", tobte Senator Richard Lugar, der republikanische Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses.

"Das ist absolut unannehmbar." Einige Mitarbeiter republikanischer Volksvertreter nehmen mittlerweile sogar Wetten an. Gesetzt wird, ob Rumsfeld bis zur Präsidentenwahl am 2. November politisch überleben wird.

© SZ vom 7.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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