Kritik an Merkels Türkei-Politik:"Sie hat nicht einmal die Konservativen auf ihrer Seite"

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Ungewöhnlich heftig hat der CDU-Außenexperte Volker Rühe seine Parteichefin kritisiert. Den Türkei-Beitritt lehne Merkel nur "aus innenpolitischem Kalkül" ab. Ihr Modell einer "privilegierten Partnerschaft" habe sie in Europa isoliert.

Nach der EU-Entscheidung für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hat der CDU-Außenpolitiker Volker Rühe die ablehnende Haltung seiner Parteivorsitzenden Angela Merkel scharf kritisiert.

"Wenn Sie sich in Europa umsehen, dann bin nicht ich isoliert, sondern Frau Merkel, die ihre Linie noch nicht einmal bei den anderen konservativen Parteien durchsetzen konnte", sagte Rühe dem Spiegel.

Der ehemalige Verteidigungsminister äußerte die Vermutung, dass die Spitzen von CDU und CSU den Beitritt aus innenpolitischem Kalkül ablehnten. Dies gehe etwa aus einem Antrag der Unionsfraktion hervor, der davor warne, dass die Gefahr für die innere Sicherheit wachse, wenn ein muslimisches Land EU-Mitglied werde.

Mehr Gewalt, wenn man die Türkei ausschließt

Das Gegenteil sei richtig, argumentierte Rühe dagegen: "Wenn wir die Türkei sozusagen aus Europa rausschmeißen, werden wir viel größere Probleme mit Fundamentalismus und Gewalt bekommen."

Der Beitritt der Türkei sei im Übrigen kein Automatismus, aber eine "große Chance". Anderen Konzepten erteilte Rühe eine Absage: Die EU könne nicht gleichzeitig über eine Mitgliedschaft und über eine privilegierte Partnerschaft verhandeln, "was immer Frau Merkel darunter verstehen mag", sagte er.

Auch die neu in den Parteivorstand gewählte türkischstämmige CDU-Politikerin Emine Demirbüken-Wegner begrüßte den Verhandlungsbeschluss und betonte, sie setze sich für eine Vollmitgliedschaft ein, wenn die Türkei die Kriterien erfülle.

In einem Beitrag für Bild am Sonntag berief sie sich dabei ausdrücklich auf die Tradition der früheren CDU-Kanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl.

Die Türkei müsse um das Vertrauen der Skeptiker werben und fit werden für Europa. "Von meiner Partei und von den Deutschen wünsche ich mir, dass der Türkei - wie jedem EU-Beitrittsland - diese faire Chance gegeben wird", sagte Rühe.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler wertete den gescheiterten Vorstoß der Unionsparteien für eine privilegierte Partnerschaft als "erhebliche Niederlage für Frau Merkel". Der CDU-Chefin seien nicht einmal die anderen konservativen Parteien in der EU gefolgt, sagte er der "Berliner Zeitung" zufolge.

Der Außenpolitiker hielt der Opposition eine "völlig taktisch geprägte Politik" vor, die sich auf innenpolitische Vorteile konzentriere und geopolitische Fragen völligaußer Acht lasse.

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