Kritik an der Kanzlerin:Die SPD will aus Merkels Schatten treten

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In der SPD regt sich offener Widerstand gegen den Auftritt von Kanzlerin Merkel beim G-8-Gipfel. Parteichef Beck attackiert die Union als neoliberal und unsozial. Inzwischen wird eine Einigung bei den Themen Pflegeversicherung und Mindestlohn immer zweifelhafter.

Nico Fried und Christoph Hickmann, Berlin

Nach Wochen der Aufmerksamkeit für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Außenpolitik ist SPD-Chef Kurt Beck bemüht, sich in deutlicher Abgrenzung zum Koalitionspartner zu profilieren. Beck kritisierte am Wochenende sowohl Ergebnisse des G-8-Gipfels in Heiligendamm als auch den innenpolitischen Kurs der Union.

Der SPD-Chef zeigte sich von den Ergebnissen des G-8-Treffens wenig begeistert. Der Kompromiss beim Klimaschutz sei zwar ein "richtiger Schritt", es handele sich jedoch nur um "Absichtserklärungen, keine Inhalte", sagte Beck am Rande einer Ruanda-Reise.

Er beurteilte das Resultat damit deutlich kritischer als sein Parteifreund Franz Müntefering. Der Vizekanzler hatte nach dem Klima-Kompromiss von einem "sehr erfolgreichen Tag für die Bundesrepublik Deutschland, für die Kanzlerin, für Europa, für alle" gesprochen.

Beck äußerte sich außerdem besonders enttäuscht darüber, dass es keinen Fortschritt bei der Kontrolle internationaler Finanzströme gegeben habe. Die G-8-Staaten hatten sich nicht auf verbindliche Regeln für sogenannte Hedge-Fonds verständigen können. Für dieses Scheitern machte der SPD-Chef Merkel ausdrücklich mitverantwortlich: "Ich hätte mir bei diesem Thema wesentlich mehr Einsatz von der Bundeskanzlerin erwartet", sagte er der Bild am Sonntag.

Erkennbar in der Absicht, Merkel und die Union innenpolitisch zu stellen, kritisierte Beck auch den Entwurf der CDU für ein Grundsatzprogramm. Der SPD-Chef warf der CDU eine neoliberale Haltung vor. Sie wolle den Staat zugunsten der Freiheit "immer weiter zusammenschrumpfen" lassen. Zugleich schweige sie jedoch über die Folgen, die in weniger Bildung, weniger Investitionen und weniger Rechtssicherheit bestehen würden, schrieb Beck in einem Namensbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Dies sei eine "Ideologie ohne Erdung".

In ihrem Entwurf gehe die CDU zudem über "die wirklichen Gegensätze in Deutschland, die Menschen verunsichern und verbittern", hinweg. Der Satz "Im Zweifel für die Freiheit des Marktes" bedeute nichts anderes, "als dass jeder zusehen soll, wie er mit den Risiken klarkommt". Damit habe die Union für die sozialen Herausforderungen unter den Bedingungen der Globalisierung "die Segel gestrichen und den Gestaltungsanspruch aufgegeben", so Beck.

Massive Streitpunkte

Eine Woche vor der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses wurden am Wochenende auch die zahlreichen Konflikte im schwarz-roten Bündnis erneut sichtbar. In der Debatte um die Reform der Pflegeversicherung sprach sich Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) für eine Erhöhung der Beiträge um 0,5 Prozentpunkte aus. Im Gegenzug sollten die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 4,3 auf "deutlich unter vier Prozent" gesenkt werden, sagte Kauder.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil mahnte dagegen, bevor über höhere Beiträge bei der Pflege geredet werde, müsse das Konzept für die Reform stehen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) beraten seit Wochen über die Reform.

Auf Konfrontation stehen die Zeichen auch beim Thema Mindestlohn. Kauder forderte zwar eine Verständigung in der Koalition, zeigte sich jedoch lediglich zu Mindestlöhnen in einzelnen zusätzlichen Branchen bereit. Heil verlangte von der Union, den Weg zu einer Mindestlohn-Regelung nicht länger zu blockieren. Die SPD kommt bei diesem Thema unterdessen unter Druck von der Linkspartei. Deren Fraktion will diese Woche im Bundestag einen Antrag für Mindestlöhne einbringen, der sich mit dem Text für die entsprechende SPD-Unterschriftenaktion deckt.

Linksfraktionschef Oskar Lafontaine sagte der Welt am Sonntag, die SPD werde sich "völlig unglaubwürdig" machen, wenn sie ihre eigene Unterschriftenaktion ablehne.

© SZ vom 10. Juni 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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