Kritik an britischer Terrorabwehr:"Aus dem falschen Jahrhundert"

Lesezeit: 2 min

Die internationale Kriminalpolizei Interpol hat die britischen Behörden für ihre mangelnde Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus kritisiert. Ein Gericht verurteilte derweil drei Männer wegen eines versuchten U-Bahn-Attentats im Juni.

Interpol hat scharfe Kritik an der britischen Anti-Terror-Bekämpfung geübt. Die britischen Methoden stammten "aus dem falschen Jahrhundert", sagte der Chef der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation, Ronald Noble, in London.

Bei den Ende Juni vereitelten Autobombenanschlägen in London und dem Angriff auf das Flughafenterminal in Glasgow hätten die britischen Behörden keinerlei internationale Zusammenarbeit gesucht.

"Wir haben zu den Anschlägen nicht einen Namen, nicht einen Fingerabdruck, nicht eine Telefonnummer, nicht eine Adresse, nichts von den britischen Behörden erhalten", sagte Noble.

"Meiner Ansicht nach ist der britische Anti-Terror-Kampf im falschen Jahrhundert konzipiert worden." Die britischen Behörden seien sich nicht darüber im Klaren, was heutzutage global gemacht werden könne.

"Und sie sollten mehr machen. Wir haben keinen Beamten der Anti-Terror-Abteilung der Londoner Polizei bei Interpol akkreditiert - nicht einen", kritisiert Noble und forderte für dieses Vorgehen eine Erklärung.

Keine Abgleichung mit der Pass-Datenbank

Noble wies darauf hin, dass Großbritannien - wie die meisten anderen Staaten - eine Interpol-Datenbank mit sieben Millionen gestohlen oder vermisst gemeldeten Ausweisen kaum nutzte. "Ich denke, es ist aussagekräftig, dass nur 17 der 186 Mitgliedstaaten systematisch die Pässe von Reisenden mit einer globalen Datenbank abgleichen, die sieben Millionen gestohlene Pässe enthält", sagte er.

Führend dabei sei die Schweiz, die jeden Monat 300.000 Anfragen stelle und dabei durchschnittlich hundert Treffer erziele. Großbritannien stelle monatlich 30, die USA 80 Anfragen. Das britische Innenministerium teilte mit, die Interpol-Datenbanken würden regelmäßig von der Behörde gegen organisiertes Verbrechen (SOCA) genutzt.

Der britische Premierminister Gordon Brown erhielt von Sicherheitsminister Alan West einen vorläufigen Bericht über die Einstellung ausländischer Ärzte. Bei allen Verdächtigen handelt es sich um Angestellte des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS. Zunächst wurden keine Einzelheiten aus Wests Bericht veröffentlicht.

Momentan arbeiten Ermittler auf drei Kontinenten an der Aufklärung der vereitelten Anschläge auf Londoner Nachtclubs und dem Anschlag in Glasgow. In Australien wurde in die Verlängerung der Untersuchungshaft für einen indischen Arzt beantragt, der in Brisbane im Zusammenhang mit den britischen Anschlägen verhaftet wurde.

Indische Ermittler haben die Computer-Festplatte des Mannes beschlagnahmt, der verdächtigt wird, mit einem Geländewagen in das Glasgower Terminal gerast zu sein, teilten Behördensprecher mit.

Irakischer Arzt bleibt weiter in Haft

Insgesamt sind acht Personen als Verdächtige in Haft - sieben davon in Großbritannien. Die meisten stammen aus dem Nahen Osten und Indien. Bisher wurden nur gegen den irakischen Arzt Bilal Abdullah offiziell Vorwürfe erhoben.

Ende Juni hatte die Polizei zwei Autobomben in London entdeckt und entschärft. In Glasgow fuhren zwei Attentäter mit einem Geländewagen in das Flughafengebäude, wo der Wagen in Flammen aufging.

Der britische Premierminister Gordon Brown hatte die Extremistenorganisation al-Qaida beschuldigt, hinter den Attentaten zu stecken. Brown kündigte inzwischen an, die Ermittlungsbehörden würden ihre Liste mit mutmaßlichen Terroristen erweitern.

Derweil wurden heute drei Männer, die am 21. Juli 2005 mehrere Bombenschläge in London verüben wollten, wegen versuchten Mordes schuldig gesprochen. Das berichtet die britische Presse.

Die drei Muslime afrikanischer Herkunft hatten im Juli versucht, mehrere Bomben in Londoner U-Bahnzügen zu zünden. Die Sprengkörper detonierten jedoch nicht. Zwei Wochen zuvor waren bei ähnlichen Anschlägen auf U-Bahnzüge und einen Bus in London 52 Menschen getötet worden.

© AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: