Krise in der Ukraine:Viktor vs. Viktor

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Präsident Juschtschenko hat das Parlament aufgelöst, doch der ukrainische Premier lehnt dies ab. Doch während Premier Janukowitsch das Wohl der Clans im Blick hat, denkt der Präsident an das ganze Land.

Thomas Urban

Seit genau einem halben Jahrzehnt bestimmt die Rivalität der beiden Viktors die ukrainische Politik. Im Jahr 2002 wurde Viktor Janukowitsch erstmals Premierminister. Er schickte sich sogleich an, das rückgängig zu machen, was sein Vorvorgänger als Regierungschef, Viktor Juschtschenko, angeschoben hatte: die Entflechtung der Energiekonzerne. Janukowitsch kommt aus dem Donezker Oligarchenclan.

In der ostukrainischen Industriemetropole war in den neunziger Jahren die Privatisierung von Konzernen, Fabriken, Banken und Immobilien ausgeschossen worden. Höhepunkt der Auseinandersetzung war 1995 ein Bombenanschlag bei einem Fußballspiel des lokalen Clubs Schachtar. Auf der Ehrentribüne kamen neben Regionalpolitikern auch örtliche Mafiabosse um.

Einflussreicher Donezk-Clan

Neuer starker Mann im Industriegebiet Donbass wurde damals der rotblonde Tatare Rinat Achmetow. Er förderte die politische Karriere Janukowitschs. Der Donezk-Clan wurde schließlich so stark, dass er im Jahr 2000 bei Präsident Leonid Kutschma, dem Führer des Clans von Dnjepropetrowsk, die Entlassung des erst seit anderthalb Jahren amtierenden Reformpremiers Juschtschenko durchsetzen konnte.

Von westlichen Medien bekommt dieser oft das Etikett "prowestlich", während Janukowitsch als "prorussisch" gilt. Doch diese Zuordnungen treffen die Politik der beiden nur unvollkommen. Denn Juschtschenko legt durchaus Wert auf eine gute Kooperation mit Moskau, die Ukraine ist nämlich völlig von russischen Rohstoffen abhängig. Und Janukowitsch ist in keiner Weise daran interessiert, dass der Kreml die Kontrolle über das Donbass übernimmt.

Die hinter ihm stehenden Oligarchen haben nämlich sehr genau beobachtet, wie rigoros Kremlchef Wladimir Putin mit den russischen Milliardären umspringt. Der Unterschied zwischen den beiden Viktors liegt eher grundsätzlich im Staatsverständnis: Juschtschenko sieht Demokratie und Marktwirtschaft als Voraussetzung für die Stärkung der ukrainischen Souveränität, Janukowitsch aber denkt nicht in Konzeptionen, er möchte Claninteressen verteidigen - auch gegenüber Moskau.

Heirat mit US-Bürgerin

Juschtschenko hatte in den neunziger Jahren bei der Weltbank in Washington gearbeitet, in dieser Zeit auch eine ukrainischstämmige US-Bürgerin geheiratet, was ihn für seine russischsprachigen Landsleute im Osten und Süden des Landes verdächtig machte.

Seine wichtigste Mitstreiterin bei seinem Versuch, Industriemonopole zu zerschlagen, war damals die Energieministerin Julia Timoschenko. Diese stammte zwar auch aus dem Oligarchenclan von Dnjepropetrowsk, hatte sich aber mit Kutschma überworfen, nicht zuletzt, weil dieser nach ihrer Auffassung zu nachgiebig gegenüber Russland war.

Bei den Präsidentenwahlen im Herbst 2004 erreichten die beiden Viktors die entscheidende Stichwahl. Als Janukowitsch zum Sieger erklärt wurde, obwohl alle Hochrechnungen, Umfragen und Nachfragen Juschtschenko deutlich vorn gesehen hatten, gingen im ganzen Land Millionen auf die Straße.

Der Unabhängigkeitsplatz in Kiew wurde Zentrum der "orangenen Revolution", die mit einem Sieg Juschtschenkos bei der vom Verfassungsgericht angeordneten Wahlwiederholung endete. Janukowitschs politische Karriere schien beendet.

Doch nutzte er nach den Parlamentswahlen vor genau einem Jahr einen Dauerkonflikt im orangenen Lager und brachte eine Mehrheit im Parlament zusammen. Dabei war er anfangs noch von Juschtschenko unterstützt worden. Dieser wollte nämlich eine Ministerpräsidentin Julia Timoschenko verhindern. Die streitbare Ikone der orangenen Revolution war zwar von ihm nach seinem Einzug ins Präsidentenamt Anfang 2005 mit der Regierungsbildung beauftragt worden.

Sprunghafter Wirtschaftskurs Timoschenkos

Doch ging sie auf Konfrontationskurs zu einem Teil ihrer Verbündeten. Vor allem erzürnte sie Juschtschenko mit einem sprunghaften Wirtschaftskurs, der mit staatlichen Interventionen zu Versorgungsengpässen führte. Überdies hatte der Kreml zu verstehen gegeben, dass ihr Verbleiben an der Spitze der Regierung Kiew teuer zu stehen kommen werde.

Doch das die Ukrainer überraschende Bündnis der beiden Viktors vom Sommer 2006 war von nur kurzer Dauer. Zum Premierminister gewählt setzte Janukowitsch rasch alles daran, die Gefolgsleute Juschtschenkos nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus allen Zentral- und Regionalbehörden zu drängen.

Er ließ sie zum Teil durch Gefolgsleute ersetzen, die sich schon in der Kutschma-Zeit durch Korruptionsaffären und Wahlfälschungen diskreditiert hatten. Überdies steht noch die Antwort auf eine Frage aus, die die ganze Ukraine beschäftigt: Wusste Janukowitsch von dem Giftanschlag auf seinen Rivalen im Herbst 2004?

© SZ vom 04.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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