Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski hat nach der Entlassung seines Stellvertreters Andrzej Lepper und angesichts des drohenden Endes der Regierungskoalition vorgezogene Neuwahlen ins Gespräch gebracht. Ohne eine Regierungsmehrheit seien vorgezogene Parlamentswahlen die einzige Lösung, sagte Kaczynski am Montagabend laut der polnischen Nachrichtenagentur PAP.
Später erklärte er, die Entscheidung über Neuwahlen solle erst im September fallen. Der Vorschlag der Demokratischen Linken Allianz (SLD) für eine sofortige Auflösung des Parlaments würde auf Parlamentswahlen bereits im August hinauslaufen, sagte Kaczynski in einem Rundfunkinterview. Dies ergebe jedoch keinen Sinn, da in diesem Monat die meisten Polen im Urlaub seien.
Kaczynski rief die 45 Samoobroma-Abgeordneten seines entlassenen Stellvertreters Andrzej Lepper auf, auch ohne ihren Anführer in der Koalition zu bleiben. Er sei jedoch bereit für Neuwahlen, da die "Aggressivität der Opposition" eine Minderheitsregierung unmöglich mache.
Am Montagabend hatte die populistische Partei Samoobrona (Selbstverteidigung) angekündigt, die Regierungskoalition zu verlassen, nachdem ihr Parteichef seiner Regierungsämter enthoben worden war.
Durchsuchung im Agrarministerium
"Die Koalition ist beendet", sagte der bei der Landbevölkerung und bei Bauern sehr populäre Lepper dem Sender TVN24. Der Samoobrona-Chef bestätigte eine Durchsuchung des Landwirtschaftsministeriums durch die Anti-Korruptionsbehörde und die Festnahme von zwei Menschen, unter ihnen einer seiner Mitarbeiter.
Es gehe um Anschuldigungen, dass an Samoobroma-Mitglieder Bestechungsgelder von drei Millionen Zloty (800.000 Euro) gezahlt worden seien, sagte er.
Lepper sagte jedoch, die Untersuchungen hätten wohl mit Grundstücksgeschäften zu tun. Er wies eigenes Fehlverhalten zurück. Auf die Frage nach dem Grund für seine Entlassung sagte er: "Ich weiß es nicht. Ich werde darüber noch einmal schlafen."
Auf einer Pressekonferenz später am Abend gab Kaczynski die Entlassung eines weiteren Kabinettmitglieds bekannt. Es gebe Hinweise darauf, dass neben Lepper auch Sportminister Tomasz Lipiec in kriminelle Machenschaften verwickelt sei, sagte der Regierungschef.
Vorwürfe gegen weiteren Minister
Lipiec ist Mitglied der ultrarechten Liga Polnischer Familien (LPR), des anderen Koalitionspartners der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Zwillinge Jaroslaw und Lech Kaczynski. Die Regierung ist seit 2005 an der Macht. Lepper hatte bereits vergangenes Jahr das Regierungsbündnis kurzzeitig platzen lassen, war später aber wieder als Juniorpartner eingestiegen.
Obwohl es immer wieder zu Differenzen gekommen war, hatten nur wenige Beobachter mit einem Auseinanderbrechen der Dreierkoalitiin vor der nächsten regulären Wahl 2009 gerechnet.
Sollte Samoobroma aus der Regierungskoalition ausscheiden, würde Kaczynskis Regierung die Mehrheit im Parlament verlieren. Sie könnte dann noch auf maximal 203 der 460 Abgeordneten im Sejm zählen. Samoobroma stellt 46 Abgeordnete, die PiS verfügt über 149, die LPR 29 Abgeordnete.